16.01.2013

Föderalismus Info 1/2013

Spekulationsverbot für die Gebietskörperschaften in Österreich

Die Salzburger Finanzaffäre war Auslöser einer Debatte über die Veranlagungs-Aktivitäten von Bund und Ländern. Die Landeshauptleutekonferenz erarbeitete ein Konzept, wie diese künftig geregelt werden sollen. Kernpunkt ist ein Spekulationsverbot als Zielbestimmung in der Bundesverfassung. In einer Zusatzvereinbarung zum Stabilitätspakt sollten die Details konkret geregelt werden. Dadurch können verbindliche Regelungen für alle Ebenen geschaffen werden, ohne dass die Finanzautonomie der Länder ausgehebelt wird. Auch auf Bundesebene gab es übrigens bisher keine entsprechenden Vorgaben. Aus föderalistischer Sicht sollte aber auch ein weitergehender Steuerföderalismus als alternatives Instrument gegen Spekulation und zur höheren Verantwortung für anvertraute Einnahmen näher geprüft werden. In der Schweiz wird ein derartiges Modell seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt und könnte durchaus als Vorbild für Österreich herangezogen werden.



Nach der Salzburger Finanzaffäre waren auf der Stelle Rufe nach Konsequenzen laut geworden. Bund und Länder haben sich im Rahmen einer außerordentlichen Tagung der Landeshauptleutekonferenz am 19. Dezember 2012 auf die Einsetzung einer Arbeitsgruppe verständigt, die ihre Beratungen unverzüglich aufnahm und am 4. Jänner 2013 ihre Ergebnisse vorlegte.
 
Es hatte sich schon früh abgezeichnet, dass der Kompromiss in einem grundsätzlichen Spekulationsverbot in der Bundesverfassung und seiner näheren Ausführung in einer Zusatzvereinbarung zum Stabilitätspakt bestehen würde. Die Einigung vom 4. Jänner 2013 ist anders als in der Öffentlichkeit oft dargestellt keine Kapitulation der Bundesregierung vor den Ländern, sondern entspricht vielmehr der Sachlogik: Es hat sich nämlich gezeigt, dass die Festlegung, was Spekulation wirklich ist, so komplex und situationsabhängig ist, dass sie in einer Verfassungsbestimmung keinen Platz gefunden hätte. Die Alternative zur ausgehandelten Vereinbarung wäre ein Blankoscheck für das Finanzministerium gewesen, für alle Ebenen verbindlich zu definieren, welche Geschäfte erlaubt oder verboten sind. Das wäre für die Länder nicht nur inakzeptabel gewesen, zudem ist nicht garantiert, dass es ausgerechnet der Bund besser weiß. Bei genauer Lektüre der Einigung zwischen Bund und Ländern überrascht, dass die Details „risikoaversen Verhaltens“, so die technische Umschreibung des Spekulationsverbotes, auch beim Bund bisher nicht gesetzlich verankert waren, andernfalls die nun geplante Änderung des Bundesfinanzierungsgesetzes gar nicht nötig gewesen wäre. Es ist auch gar nicht lange her, als der Bund und seine ausgelagerten Gesellschaften noch selbst spekulierten. Es war somit richtig und dem bundesstaatlichen Prinzip angemessen, dass die Länder eine Gleichbehandlung aller Ebenen forderten, die nun umgesetzt werden soll.
 
Da der Kern des Spekulationsverbotes ohnehin in der ausgehandelten Zusatzvereinbarung zum Stabilitätspakt und der Ergänzung des Bundesfinanzierungsgesetzes liegt, kann das Paket auch umgesetzt werden, falls die nötige Zweidrittelmehrheit für die Verfassungsbestimmung im Parlament nicht erreicht wird. Auch für die Schuldenbremse wurde vor einiger Zeit keine Verfassungsmehrheit gefunden, sodass sie schließlich in kooperativ-föderalistischer Weise im Stabilitätspakt verankert wurde. Die Verbindlichkeit hat dadurch nicht gelitten. Daher sind allfällige Forderungen der Opposition nach einer Verschärfung der vorgesehenen Verfassungsbestimmung nicht angebracht. Mittelfristig sollten die Länder allerdings noch anderes ins Auge fassen: Das auf einer 250 Jahre alten Kameralistik beruhende öffentliche Rechnungswesen ist veraltet. Der Bund geht mit dem Bundeshaushaltsgesetz 2013 davon ab, die Länder sollten sich das neue Modell genau ansehen und, wenn es funktioniert, auch ihr Haushaltsrecht modernisieren. Dann sollten auch Spekulationsverluste wie in Salzburg für den Rechnungshof nicht mehr unsichtbar bleiben.
 
Auch der Steuerföderalismus als alternatives Instrument gegen Spekulation sollte näher geprüft werden. Einen wesentlichen Teil seiner Einnahmen aus eigenen Steuern bestreiten zu müssen, ist in der Regel ein Anreiz zu sparsamem und „risikoaversem“ Verhalten und verantwortliche Politiker müssten primär vor ihrer eigenen Bevölkerung ihr Verhalten rechtfertigen. Finanzautonomie, das zeigt etwa das Beispiel Schweiz, führt zwar zu unterschiedlichen Steuerbelastungen in den einzelnen Kantonen, grundsätzlich aber auch zu einem vorsichtigeren Umgang der Politik mit dem Geld. Das Argument, Finanzautonomie benachteilige die strukturschwächeren Länder, verfängt nicht: Auch in der Schweiz gibt es einen Finanzausgleich zwischen reicheren und ärmeren Kantonen, mit dem Benachteiligungen zwischen Randlagen und Ballungszentren ausgeglichen werden, frivoler Umgang mit fremdem Geld jedoch nicht begünstigt wird. Österreich wäre auch nicht zu klein für eine Finanzautonomie auf Länderebene: Neben der Schweiz kann auch auf die skandinavischen Staaten verwiesen werden, wo sich die Gemeinden zu einem guten Teil durch die Einhebung von Steuern, die sie selbst festsetzen, finanzieren. Auch in diesen Ländern ist eine Unterschiedlichkeit der Steuersätze kein Problem.

Föderale Aspekte der direkten Demokratie

Die Volksbefragung über die Beibehaltung der Wehrpflicht bzw Einführung eines Berufsheeres ist auf Bundesebene die erste überhaupt, seit dieses Instrument im Jahre 1988 geschaffen wurde. Auf Landesebene gab es seit den 1970er-Jahren bereits 18 Volksbefragungen. Auf Länderebene gab es sogar noch deutlich radikalere Formen der direkten Demokratie, denen teilweise vom Verfassungsgerichtshof ein Riegel vorgeschoben wurde. Aus Sicht des Föderalismusinstituts sollte der verfassungsrechtliche Spielraum für direktdemokratische Verfahren auf Länder- und Gemeindeebene vergrößert werden.



Die Volksbefragung über die Beibehaltung der Wehrpflicht bzw Einführung eines Berufsheeres ist auf Bundesebene die erste überhaupt nach ihrer Einführung im Jahre 1988. Aus der Verfassungsgeschichte bekannt ist lediglich eine Form der Volksbefragung, wie sie die Verfassung 1934 als Unterart einer Volksabstimmung vorsah, die gegenwärtige Bestimmung geht zurück auf einen Initiativantrag mehrer Abgeordneter und wurde mit BGBl Nr 685/1988 eingeführt. Zwar gab es seitdem zahlreiche Anträge – vor allem von oppositioneller Seite – Volksbefragungen abzuhalten, doch dauerte es 25 Jahre, bis es erstmals dazu kam.
 
Auf Landesebene hingegen gab es seit den 1970er Jahren bis dato bereits 18 Volksbefragungen über landesrechtlich relevante Themen aller Art. Beginnend mit einer Befragung der Bevölkerung Vorarlbergs zu den Ladensschlusszeiten im Jahre 1972 bis hin zur aktuellen Befragung in Wien zu mehreren Themen wie einer Olympia-Bewerbung und der Parkpickerl-Regelung. Im Bundesländervergleich ist Wien mit nunmehr acht Volksbefragungen an der Spitze, lediglich im Burgenland wurde von der Möglichkeit bislang noch kein Gebrauch gemacht. Volksbefragungen in den Bundesländern finden im Regelfall auf Beschluss der Landesregierung statt, wenngleich zahlreiche Bundesländer auch die Möglichkeit der Erzwingung einer Befragung durch einen Teil der zum Landtag wahlberechtigten Bevölkerung vorsehen.
 
Bei der Ausgestaltung direkt-demokratischer Instrumente auf Landesebene wurde seitens der Landesverfassungsgesetzgeber der Spielraum der Verfassungsautonomie mitunter großzügig genützt. Teilweise ging man dabei über die bekannten Möglichkeiten direkter Demokratie hinaus und implementierte weitere Varianten, vor allem auf Gemeindeebene oder unter Einbeziehung dieser, wenn beispielsweise eine bestimmte Anzahl von Gemeinden eine Volksabstimmung oder -befragung initiieren kann. Ebenso vorgesehen sind teilweise verpflichtende Verfahren der Bürgerbegutachtung von Gesetzesentwürfen. Vorarlberg scheiterte allerdings im Jahre 2001 mit der Einrichtung der „Volksgesetzgebung“ am Verfassungsgerichtshof, zumal eine derart radikale Form direkter Demokratie gegen die primär repräsentativ-demokratisch ausgestaltete Verfassungsordnung verstieß. Abseits der Legislative gibt es zum Beispiel in der Steiermark und in Vorarlberg die Möglichkeit einer sogenannten „Kontrollinitiative“, wobei eine bestimmte Anzahl von Wahlberechtigten eine Prüfung des Landesrechnungshofes verlangen kann.
 
Angesichts dieser Vielfalt an direkt-demokratischen Instrumenten auf Landesebene, die auch ein gutes Beispiel für eine „Werkstatt Föderalismus“ und damit die Möglichkeit der Erprobung neuer Wege in überschaubarem Rahmen darstellen, verwundert es, dass sich rechtspolitische Forderungen fast ausschließlich auf die Bundesebene beziehen. Es sollte ermöglicht werden, dass die bundesverfassungsrechtlichen Schranken, was den Ausbau der direkten Demokratie in Ländern und Gemeinden betrifft, gelockert werden. Das Institut für Föderalismus regt an, dem Art 99 Abs 1 B-VG folgenden Satz anzufügen: „Sie kann vorsehen, dass die zum Landtag Wahlberechtigten unmittelbar an der Landesgesetzgesetzgebung mitwirken können.“ – eine Formulierung, die sowohl in der Bundesstaatsreform als auch im Österreich-Konvent mehrfach vorgeschlagen wurde. Damit wird klargestellt, dass die Landesverfassung auch direkte Mitwirkungsrechte der Landesbürger (Vetoreferendum und Volksinitiative) an der Landesgesetzgebung vorsehen kann.

Wieder gelesen: „Der Rechtsstaat und sein Heer“

Vor nunmehr knapp 50 Jahren erschien die Habilitationsschrift von Peter Pernthaler, dem ehemaligen Direktor des Föderalismusinstituts, mit dem Titel „Der Rechtsstaat und sein Heer“ und ist seitdem fester Bestandteil der wehrrechtlichen Literatur. Manches hat sich seither geändert, vieles, was Pernthaler damals geschrieben hat, bleibt aber weiter gültig, wie ein Blick in sein Werk zeigt.



Das Werk vermittelt auch Jahrzehnte später einen spannenden Einblick in verfassungsrechtliche Grenzfragen, wie sie sich insbesondere bei der rechtlichen Ausgestaltung des Bundesheeres und der Rechtsstellung der Soldaten bieten. Schon die geschichtliche Entwicklung der rechtlichen Durchdringung des Militärwesens wird dabei zu Recht als „mühsames Tasten in erfahrungsleeren Räumen“ bezeichnet (S 35). Mit Blick auf die aktuelle Heeresdebatte erfahren wir etwa im historischen Teil, dass Österreich nach dem Ersten Weltkrieg, bedingt durch staatsvertragliche Vorgaben schon einmal über ein Berufsheer verfügte (S 41) oder wie umgekehrt die Wehrpflicht im Lichte des demokratischen Prinzips oder des Gleichheitssatzes (S 186) betrachtet werden könne.
 
Das Werk prüft die verfassungsrechtliche Ausgestaltung des Heeres anhand des demokratischen, bundesstaatlichen und rechtsstaatlichen Prinzips einschließlich der Grundrechte, stellt und beantwortet interessante verfassungsrechtliche Fragen – von der Rechtsnatur des Befehls (S 64 ff) bis hin zur Frage des Schutzes der Verfassung durch die militärische Macht vor ihrer gewaltsamen Verletzung (S 171). Mit Blick auf den Bundesstaat zeigt sich das Heer als eines der gemeinsamen, gesamtstaatlichen Organe, das in früheren Jahrzehnten durch landesrechtliche Möglichkeiten von „Bürgergarden“ oder der Privilegierung des Schützen- und Schießstandswesens in Tirol und Vorarlberg ergänzt war.
 
Mag sich auch die eine oder andere Vorschrift im Rechtsbestand seit 1963 geändert haben, so bleiben manche der angeschnittenen Themen wie die Rechtsform des Heeres, das Problem seines „inneren Einsatzes“ oder der Mythos der „Bundesexekution“, wie er seit Hans Kelsen in den 1920er Jahren nicht mehr behandelt wurde, praktisch zeitlos. Das Buch lädt stets zum Weiterlesen ein und ist jedenfalls auch 50 Jahre später für verfassungsrechtlich Interessierte stets eine Lektüre wert.

Tagung „Die neuen Landesverwaltungsgerichte“

Am 11. und 12. April 2013 findet an der Universität Innsbruck die vom Institut für Föderalismus gemeinsam mit dem Institut für Öffentliches Recht ausgerichtete Tagung „Die neuen Landesverwaltungsgerichte“ statt. Die Tagung widmet sich den neuen Gerichten, die mit Jänner 2014 ihren Betrieb aufnehmen werden, in drei großen Themenbereichen – Grundlagen, Organisation und Verfahren. Anmeldungen zur Tagung sind bis 5. April 2013 unter institut@foederalismus.at möglich, Details zum Programm sind auf der Homepage des Instituts für Föderalismus abrufbar.



Die Referate im Überblick: Univ.-Prof. Dr. Anna Gamper: Landesverwaltungsgerichte im Gefüge der Bauprinzipien der Bundesverfassung; Univ.-Prof. Dr. Georg Lienbacher: Der Verwaltungsrechtsschutz in Österreich und die europäische Dimension; Hon.-Prof. Dr. Meinrad Handstanger: Grundsatzfragen zur Organisation eines Verwaltungsgerichts; Dr. Christian Ranacher und Dr. Dieter Wolf: Das Organisationsrecht der Landesverwaltungsgerichte; Dr. Eduard Pesendorfer: Das Amt der Landesregierung und seine (neue) Rolle; Univ.-Prof. Dr. Harald Eberhard: Das Zusammenspiel von Landesverwaltungsgerichten und Verwaltungsbehörden; Dr. Matthias Germann und Mag. Heidemarie Thalhammer: Das Verfahren vor den Landesverwaltungsgerichten; Dr. Erich Pürgy: Sachverständige im Verfahren vor den Landesverwaltungsgerichten; Univ.-Prof. Dr. Rudolf Thienel: Die neue Rolle des Verwaltungsgerichtshofes im Verhältnis zu den Landesverwaltungsgerichten.

Wissenschaftspreis der Margaretha Lupac Stiftung

Das Institut für Föderalismus möchte auf die Ausschreibung des Wissenschaftspreises 2013 der Margaretha Lupac Stiftung aufmerksam machen. Mit dem Wissenschaftspreis wird entweder ein wissenschaftliches Gesamtwerk, eine Publikation oder eine abgeschlossene, beurteilte Dissertation ausgezeichnet, die sich mit den Chancen und Stärken, aber auch den Herausforderungen und Schwächen der parlamentarischen Demokratie und ihren Institutionen in Österreich auseinandersetzten. InteressentInnen werden eingeladen, ihre Bewerbung bis zum 28. Februar 2013 (Poststempel) einzureichen. Weitere Details zum Procedere entnehmen Sie der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at.