Der Südtiroler Autonomiekonvent – Endpunkt und Ausgangspunkt zugleich - Teil 2

von , 28.09.2017

Ergebnisse eines innovativen Prozesses

Der Südtiroler Autonomiekonvent hat seine Arbeiten mit der Übergabe der Vorschläge zur Überarbeitung des Autonomiestatuts des Konvents der 33 und des Forums der 100 abgeschlossen.

Das zentrale Dokument des Konvents der 33 ist das von den drei Rechtsexperten erstellte Abschlussdokument. In Themenbereiche gegliedert, gibt es die Positionen wieder, die entweder auf Konsens oder eine mehr oder weniger große Übereinstimmung getroffen sind und versucht, diese mit Minderheitenpositionen in Einklang zu bringen. Es enthält Überlegungen zu einer Präambel, zur institutionellen Organisation, zu den internationalen Beziehungen und zur Europäischen Union, zu den Beziehungen zum Staat, zur Gesetzgebungs- und Verwaltungsautonomie, zum Minderheitenschutz, zur Finanz- und Steuerautonomie und zum Instrument der Durchführungsbestimmungen zum Autonomiestatut. Ebenso verweist es auf erforderliche Anpassungen im Bereich der Streitigkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof. Flankiert wird das Dokument durch insgesamt vier Minderheitenberichte.

Besonders intensiv wurde im Konvent der 33 die möglichst breite Absicherung der Autonomie im Bereich der Zuständigkeiten diskutiert. Die Diskussion führte zu einem großteils konsensuell und umfassend ausgestalteten Katalog, lediglich einige Kompetenzen wie die Zuständigkeit für Kollektivvertragsverhandlungen im privaten Sektor oder Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit fanden keinen Konsens. Kontrovers wurde in diesem Zusammenhang auch die Rolle der Region diskutiert. Hier reichten die Meinungen von der Abschaffung und Ersetzung durch freiwillige Zusammenarbeit bis hin zu einer Aufwertung der nach 2001 sukzessive zugunsten der beiden Autonomen Provinzen Bozen und Trient eingeschränkten Zuständigkeiten. Ebenso kontrovers verliefen die Diskussionen zum Selbstbestimmungsrecht – von einigen Mitgliedern des Konvents der 33 auch als unzulässig eingestuft, weil Selbstbestimmungsrecht und Autonomie einander widersprächen -  zur mehrsprachigen Schule, zur flexiblen Ausgestaltung des ethnischen Proporzes und zur Einbettung der Autonomie in das italienische Verfassungssystem. Diese Themen fanden in erster Linie den Weg in die Medien, die in diesen Zusammenhängen wahlweise von einer Spaltung oder einem  Scheitern des Konvents berichteten. Dabei wurde (und wird) übersehen, dass – wie sich auch aus den Protokollen der Konventsitzungen eindeutig ergibt - in vielen Bereichen Konsens erzielt wurde, etwa zum Bedarf der Neudefinition der Rolle der Region, zur erforderlichen Aufwertung der Rolle der Gemeinden im Autonomiesystem oder zur Ergänzung des Statuts um den Bereich Internationales und Europäische Union, genauso wie hinsichtlich der Umwandlung der konkurrierenden und ergänzenden Gesetzgebungskompetenzen in ausschließliche Kompetenzen oder der Aufwertung der ladinischen Sprachgruppe in jenen Bereichen, in denen eine direkte Vertretung aufgrund der zahlenmäßigen Stärke nicht möglich ist. Dass die Minderheitenberichte den erzielten Konsens teilweise in Frage stellen, mag wohl einerseits zum Teil auf mangelnde Präsenz der jeweiligen Verfasser im Konvent und damit fehlende Teilnahme an den Arbeiten zurückzuführen sein. Andererseits werden bei näherer Betrachtung teilweise auch Inhalte des Abschlussdokuments wiedergegeben, etwa hinsichtlich der Rolle der Gemeinden, vielleicht aufgrund der Überzeugung, durch die Wiederholung als Verfechter bestimmter Positionen gelten zu können.

Die insgesamt acht Arbeitsgruppen des Forums der 100 führten die Bandbreite der Themen fort, die sich bereits in den Open Spaces gezeigt hatte. Sie befassten sich mit folgenden Themen: Ausbau der Autonomie, Rolle der Region, Beziehungen zu Wien und Rom, doppelte Staatsbürgerschaft; Selbstbestimmung, Euregio, Beziehungen zu Österreich und Italien, Südtirolaktivisten; Kultur, Bildung, Toponomastik; Sprachgruppenzugehörigkeit, Proporz, Interessen/Vertretung Ladinia, Zwei- bzw. Dreisprachigkeit in der öffentlichen Verwaltung; Nachhaltigkeit, Umwelt, Wirtschaft, Forschung, Arbeit; Soziales, Gesundheitswesen, Sport; Integration der Menschen mit Migrationshintergrund, Zusammenleben, Mehrsprachigkeit; Formen der Mitbestimmung (repräsentative und direkte Demokratie, Partizipation). Am umstrittensten und nicht konsensfähig waren die Themen der Mehrsprachigkeit in der Schule, der Bildung und der Toponomastik, was sich daran zeigt, dass diese Themen Gegenstand von zwei unterschiedlich ausgerichteten Dokumenten derselben Arbeitsgruppe sind.

Nunmehr liegt es am Südtiroler Landtag, mit den Ergebnissen des Autonomiekonvents umzugehen. Das Präsidium des Südtiroler Landtags wird als weiteren Schritt eine Gruppe von Fachleuten beauftragen, aus den Abschlussdokumenten von Konvent und Forum einen Text für die Diskussion im Landtag zu erstellen. Dieser kann in die Ausarbeitung eines Verfassungsgesetzesentwurfs einfließen, der entweder im Wege von Artikel 103 des Autonomiestatuts in Abstimmung mit dem Ergebnis des Trentiner Bürgerbeteiligungsprozesses zu einem gemeinsamen Beschluss im Regionalrat führen oder als Anregung für Gesetzesinitiativen der Südtiroler Parlamentarier dienen kann. Damit ist die Koordinierung der Ergebnisse der beiden partizipativen Prozesse der Politik überlassen.

Durch das Scheitern der Verfassungsreform von 2016, die eine Änderung des Autonomiestatuts nur im Einvernehmen mit den Sonderautonomien vorgesehen hätte, ist die Dringlichkeit der Ausarbeitung eines Änderungsvorschlags doch gesunken. Trotzdem erscheint es geboten, sich nach wie vor mit der Weiterentwicklung von Südtirols Autonomie zu befassen. Die Arbeiten und die Ergebnisse des Südtirol-Konvents sind wie ein Spiegel der Südtiroler Gesellschaft, die den politisch Verantwortlichen aufzeigen, welche Themen bewegen und wo weitere Überlegungen anzusetzen sind. Dies gilt auch hinsichtlich der geringen Beteiligung von Seiten der italienischsprachigen Bevölkerung am Prozess des Südtirol-Konvents, zu der sich im Laufe der Zeit eine ausgesprochen negative Berichterstattung vorwiegend in den italienischsprachigen Medien hinzugesellt hat, die den Arbeiten und dem Einsatz der Beteiligten im Autonomiekonvent nicht gerecht wird.

Eine umfassende Bilanz des Südtirol-Konvents kann wohl erst in einiger Zeit gezogen werden. Wichtig ist, dass seine Ergebnisse, die von engagierten Menschen erarbeitet worden sind, nicht zu den Akten gelegt werden, sondern der Ausgangspunkt und die Basis für den weiteren politischen und gesellschaftlichen Diskurs zum Wert und zur Weiterentwicklung der Südtiroler Autonomie bilden, auch und gerade aus dem Blickwinkel des Minderheitenschutzes. Natürlich sind rechtliche Weiterentwicklungen eines komplexen Systems, wie es die Südtiroler Autonomie darstellt, stets auch im Kontext der Entwicklungen auf gesamtstaatlicher, ja europäischer Ebene zu sehen. Zentral ist aber, dass es ein Bewusstsein für den Wert der Autonomie gibt, das nicht nur die politischen Instanzen, sondern die gesamte Südtiroler Gesellschaft durchzieht. Der Südtiroler Autonomiekonvent stellt in diesem Zusammenhang einen wichtigen Versuch dar, dieses Bewusstsein anzuregen und zu vertiefen.

 

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