Feuerbestattung und Umgang mit Leichenasche in Österreich
von Anna Obereder, 23.06.2023Feuerbestattung und der Umgang mit Leichenasche in Österreich
Wie sich auch anhand rezenter gerichtlicher Entscheidungen zeigt, stellen sich im Zusammenhang mit der Feuerbestattung und insbesondere dem anschließenden Umgang mit Leichenasche verschiedenste Rechtsfragen (vgl etwa VwGH 4.5.2023, Ra 2021/11/0167; LVwG Oö 23.2.2023, LVwG-050246/8/FP; 21.2.2023, LVwG-050244/5/KH). Es schien daher an der Zeit, die Feuerbestattung – als immer häufiger gewählte Bestattungsform – umfassend rechtswissenschaftlich zu betrachten, weshalb die Monografie "Feuerbestattung und der Umgang mit Leichenasche in Österreich" entstanden ist. Diese erhebt den Anspruch, für die Bestattungsgesetze aller neun Bundesländer die aktuellen Problemstellungen zu identifizieren und Lösungsvorschläge anzubieten. Um dem gerecht werden zu können, genügt es freilich nicht, bloß die in Kraft stehenden Materiengesetze zu analysieren, sondern es sind sowohl der kompetenz- und grundrechtliche Rahmen als auch die zivil- und strafrechtlichen Bezugspunkte miteinzubeziehen.
Verfassungsrechtliche Aspekte
Hinsichtlich des Umfangs der Kompetenz der Länder betreffend den Umgang mit sterblichen Überresten von Menschen ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich diese nicht bloß auf das in Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG vom „Gesundheitswesen“ ausgenommene „Leichen- und Bestattungswesen“ beschränkt, sondern auch darüberhinausgehende Aspekte im Hinblick auf die Sicherstellung der Wahrung von Pietät und Würde erfasst. Zudem gehen mit der (faktisch) engen Verzahnung zwischen der Festlegung der Bestattungsart und der Verpflichtung bzw Berechtigung, für die Bestattung Sorge zu tragen, durchaus diffizile Abgrenzungsfragen zur Bundeskompetenz im Bereich des Zivilrechts einher, die umfassend beleuchtet werden.
Auch wenn dies auf den ersten Blick vielleicht nicht zu vermuten wäre, schränkt die Verfassung die Länder aber nicht nur in kompetenzrechtlicher Hinsicht ein. Durch die Relevanz des Rechts auf Privat- und Familienleben (Art 8 EMRK) sowie der Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Art 63 StV St Germain iVm Art 14 StGG und Art 9 EMRK) haben sie auch – über das allgemeine Sachlichkeitsgebot hinausgehend – inhaltliche Schranken bei der Gestaltung der einfachen Gesetze zu berücksichtigen. Es wird ausgelotet, in welchen Konstellationen diese einschlägig sind und wo die Grenzen verlaufen. Angesichts der mit dem Tod endenden Grundrechtssubjektivität wird auch der Frage nachgegangen, ob bzw in welcher Form allfällige Grundrechtswidrigkeiten der Bestattungsgesetze bereits zu Lebzeiten (von der – zukünftig – betroffenen Person selbst) geltend gemacht werden können und inwiefern auch nach dem Ableben eine (prozessuale) Möglichkeit besteht, dagegen vorzugehen.
Bestattungsgesetze der Länder
Die Auseinandersetzung mit den Bestattungsgesetzen erfasst die Rechtslage in sämtlichen Bundesländern. Zunächst wird die – in den meisten Bundesländern durchaus vergleichbare – Grundstruktur der Landesgesetze herausgearbeitet, um Gemeinsamkeiten wie auch relevante Unterschiede aufzuzeigen. Dafür ist es nötig, einen Rechtsvergleich anzustellen. Allerdings werden die Landesgesetze nicht bloß miteinander verglichen, sondern es findet darüber hinaus auch eine detaillierte Auseinandersetzung mit den relevanten Bestimmungen – inklusive einer Auslegung der einzelnen Tatbestandselemente – für alle neun Bundesländer statt. Dabei geht die Intention dahin, neben den akademischen Interessen auch die Bedürfnisse der juristischen Praxis zu befriedigen, weil – wie bereits eingangs skizziert – in jüngerer Zeit immer häufiger Fragen rund um den Umgang mit Leichenasche aufgetreten sind bzw auftreten.
Aus der Vielzahl an Themen, die bearbeitet werden, seien exemplarisch folgende beiden herausgegriffen: Zentral ist zum einen die Abgrenzung zwischen Beisetzungen innerhalb von Bestattungsanlagen (Friedhöfen, Urnenhainen bzw Urnenhallen) und Beisetzungen außerhalb solcher Orte. In allen Bundesländern knüpft sich an diese Differenzierung ein Unterschied im Hinblick auf die Vorgaben, die für die rechtmäßige Beisetzung von Urnen an diesen Orten einzuhalten sind. Um zu klären, welches Regime, wann zur Anwendung zu kommen hat, wird der – auf den ersten Blick vermeintlich eindeutig wirkenden – Begriff „Bestattungsanlage“ umfassend diskutiert. In diesem Zusammenhang wird aufgezeigt, dass auch systematisch zunächst vergleichbar anmutende Landesgesetzen durchaus verschiedene Begriffsverständnisse zugrunde liegen können.
Zum anderen ist die Beisetzung außerhalb von Bestattungsanlagen (von Spezialfällen in zwei Bundesländern abgesehen) einzelfallbezogen bewilligungspflichtig. Das dadurch der Bewilligungspflicht unterworfene Verhalten ist jedoch kein einheitliches, weil das Verständnis des Begriffs „Beisetzung“ nicht in allen Landesgesetzen dasselbe ist. Unter Berücksichtigung aller Interpretationsmethoden ergibt sich nämlich das Ergebnis, dass in einigen Bundesländern damit lediglich der Vorgang der Positionierung der Urne am Beisetzungsort gemeint ist, während andere die Beisetzung als „andauernde Tätigkeit“ verstehen. Dieser Unterschied hat wiederum weitreichende Konsequenzen, weil im zweitgenannten Fall beim Ableben des*der (bisherigen) Bewilligungsinhaber*in (jedenfalls) eine neuerliche Bewilligung einzuholen ist. Obwohl die – zivilrechtlich als Sache einzuordnende – Urne im Fall des Ablebens zwar ebenfalls im Erbweg übergeht, wenn unter der Beisetzung die bloße Positionierung der Urne zu verstehen ist, darf sie diesfalls aber ohne neuerliche Bewilligung (unverändert) an ihrem Beisetzungsort verbleiben.
Vorschläge zur Weiterentwicklung des normativen Rahmens
Ungeachtet des Werts, der schon der wissenschaftlichen Aufbereitung der bestattungsrechtlichen Vorschriften der Länder zukommt, beschränkt sich die Arbeit nicht darauf. Für die als Kritikpunkte am aktuellen Normenbestand aufgezeigten Faktoren werden nämlich auch Änderungsvorschläge unterbreitet. Diese Änderungsvorschläge werden nicht nur abstrakt ausgeführt, sondern abschließend auch in einen konkret ausformulierten Normvorschlag gegossen, um den Landesgesetzgebern einen möglichen Lösungsvorschlag für allenfalls hinsichtlich ihrer Verfassungskonformität anzuzweifelnde oder bisher unklar geregelte Aspekte zu unterbreiten.
Informationen zu Anna Obereder
Dr. Anna Obereder ist Universitätsassistenten am Institut für Staatsrecht und Politische Wissenschaften an der JKU Linz. Sie wurde für ihre Dissertation "Feuerbestattung und Umgang mit Leichenasche in Österreich" mit dem Föderalismus-Preis 2023 ausgezeichnet.
anna.obereder@jku.at
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