Modernisierung der Steuer- und Zollverwaltung
von Mag. Siegfried Manhal und Mag. Christoph Seel, MSc, 16.01.2020Die vergangenen 15 Jahren waren von großen Veränderungen geprägt. Vor allem die Bereiche Digitialisierung und Internationalisierung nahmen eine rasante Entwicklung. Zudem stehen Unternehmen im privaten wie öffentlichen Sektor in einem Wettbewerb, um die besten Talente für ihre Organisation zu gewinnen. Warum findet gerade der Zeitraum von 15 Jahren hier Erwähnung? Damals führte die Finanzverwaltung die letzte große Reform durch, die auf die damaligen Gegebenheiten reagierte. Nunmehr steht abermalig die Gestaltung einer zukunftsfitten Struktur bevor.
Um einen optimalen Aufbau der Organisation und effiziente Abläufe unserer Arbeit zu gewährleisten, sind neben den externen Herausforderungen ebenso die internen zu berücksichtigen. Die Finanzverwaltung steht durch nahende Pensionierungen vor einem demographischen Wandel. Innovative Ansätze sind notwendig, um die vielfältigen Herausforderungen zu lösen.
Die Ziele für unsere 4 Stakeholder
Die Bürgerinnen und Bürger profitieren von einfacheren und automatisierten Verfahren. Dabei spielen auch digitale Services eine verstärkte Rolle – beispielsweise ist unser erfolgreichstes Tool FinanzOnline seit dem Jahreswechsel userfreundlicher gestaltet. Mit Hilfe dieser Weiterentwicklungen sollen die Anträge schneller bearbeitet werden. Unsere hohen Qualitäts- und Leistungsgrundsätze verlassen wir dabei nicht.
Zudem stehen den Bürgerinnen und Bürgern Ansprechpartner regional in gewohnter Weise zur Verfügung.
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Infobox:
- Erwartungshaltung Kunden: Anzahl Telefonanrufe 2003 (2,5 Mio.) vs. 2017 (5,8 Mio.); Anzahl L1 Fälle: 2003 (3,1 Mio.) vs. 2017 (5,1 Mio.)
- Ballungsräume: Die Erledigungsdauer bei der „Familienbeihilfe“ divergiert massiv. Die Arbeitsverteilung bspw. bei der Arbeitnehmerveranlagung divergiert pro Vollzeitäquivalent von rund 3.600 zu 9.100 Fällen.
- Komplexität der Rechtssysteme: bis 2017 mussten bis zu 1000 Seiten an Wartungserlässen ausgegeben werden, um die Auslegung von Gesetzen zu spezifizieren.
- Pensionierungswelle: In den nächsten 10 Jahren haben wir bis zu 600 Pensionierungen
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Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen wollen wir kooperativer gestalten. Im konkreten bedeutet dies, mit Hilfe von zeitnahem Monitoring die Abgabenerhebung für beide Seiten zu erleichtern. Zudem können wir so auch die Rechtssicherheit für unsere Kundinnen und Kunden erhöhen. Ähnlich wie für die Bürgerinnen und Bürger steht eine effiziente digitale Prüfung im Fokus, um die Erledigungen weiter zu beschleunigen.
Die Ziele sind jedoch nur zu erreichen, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kompetent und motiviert sind. Daher sorgen wir für eine qualitativ hochwertige Aus- und Weiterbildung in unserer Bundesfinanzakademie. Im Zentrum der Modernisierung steht ebenso der Ansatz der Dezentralisierung – für unsere Angestellten bedeutet dies, dass wir die regionalen Arbeitsplätze erhalten und Kompetenzzentren außerhalb der Ballungsräume aufbauen. In einem ersten Schritt werden die Anträge der so genannten „Massenverfahren“, wie zum Beispiel der Allgemeinveranlagung und später auch der Kinderbeihilfe, auf Gesamtösterreich verteilt. Nicht nur Arbeitsplätze im ländlichen Raum sind damit gesichert, sondern auch die Ansprechpartner und das Know how vor Ort bleiben erhalten und werden kontinuierlich ausgebaut.
Eine wichtige Funktion erfüllen wir durch die Abgabenerhebung für den Staat selbst. Wir sichern langfristig die Steuereinnahmen. Gleichzeitig sorgen wir durch eine schlagkräftige Betrugsbekämpfung, die auf die Internationalisierung gerade auf diesem Gebiet reagieren kann, für einen fairen Wettbewerb. Dadurch tragen wir wesentlich zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort bei.
Folgende Prinzipien stehen dabei im Fokus
Mit der Modernisierung schaffen wir zukunftsfähige Strukturen, indem wir Leistungs- und Ressourcenverantwortung zusammenführen und örtliche und sachliche Zuständigkeiten flexibel gestalten. Im Zusammenspiel mit einheitlichen Prozessen sowie Strukturen minimieren wir Schnittstellen und beseitigen Doppelzuständigkeiten. Außerdem findet eine Bündelung gleichartiger Aufgaben und Kompetenzen statt – dies führt zu einer erhöhten Kompetenz, die sich positiv auf Fragen der Rechtssicherheit und Schnelligkeit der Bearbeitung der Kundenanliegen auswirkt. Ein Nebeneffekt ist, wie schon ausgeführt, die Stärkung strukturschwacher Regionen, da die Kompetenzcenter teilweise in den Bundesländern liegen werden.
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Infobox:
FinanzService-Center - schnelle Auskunft
Das Anrufvolumen bei den Finanzämtern und die Komplexität der Gespräche mit den Kundinnen und Kunden steigen. Daher baut das BMF an einzelnen Standorten in ganz Österreich ein "FinanzService-Center" auf. Diese bilden das neue telefonische Auskunftsservice: speziell ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versuchen die vielfältigen Fragen der Bürgerinnen und Bürger abschließend zu beantworten.
Bisherige Standorte: St. Veit/Glan, Villach, Wien. Neu im Jahr 2020: Krems, Lienz, Rohrbach
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Derzeit bilden 40 Finanzämter und 9 Zollämter jeweils eine Abgaben- und Dienstbehörde mit eigenem Zuständigkeitsbereich. Daneben bestehen besondere Organisationseinheiten wie Steuer- und Zollkoordination, Großbetriebsprüfung, Finanzpolizei und Steuerfahndung. Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft können sich aktuell aufgrund der bestehenden Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit der Abgaben- und Finanzstrafbehörden nur ortsabhängig an eine solche wenden. Zudem besteht keine bundesweit gleichmäßige Verteilung der zu bearbeitenden Akten und Erledigungen.
- Wir fusionieren die 40 Finanzämter zu einem Finanzamt Österreich. Wichtig: Die Standorte und Ansprechpartner vor Ort bleiben erhalten.
- Die neun Zollämter führen wir zu einem bundesweiten Zollamt Österreich mit regionalen Standorten zusammen.
- Für Großbetriebe richten wir im Bereich der Großbetriebsprüfung das Finanzamt für Großbetriebe als eigene Abgabenbehörde ein. Hier gilt ebenfalls: lokale Ansprechpartner stehen den Kundinnen und Kunden nach wie vor zur Verfügung.
- Die Finanzpolizei und die Steuerfahndung führen wir organisatorisch zu einem Amt für Betrugsbekämpfung zusammen und erweitern dieses um die Kompetenzen der Finanzstrafbehörden. Die Finanzpolizei als operative Einheit bleibt nach außen weiterhin bestehen.
Startschuss für die Reform: 1. Juli 2020
Mit 1. Juli 2020 tritt die Modernisierung in Kraft, die im Finanz-Organisationsreformgesetz (FORG) abgebildet ist. Damit nimmt die Finanzverwaltung die aktuellen Herausforderungen an und schafft den notwendigen Rahmen, um 15 Jahre nach der vergangenen Reform zukunftsfit zu sein. Wir bieten zeitgemäße digitale Angebote für ein schnelleres Service, erhalten als attraktiver Arbeitgeber Know how, bauen regionale Arbeitsplätze aus und sorgen durch einen kooperativen Umgang mit den Wirtschaftsteilnehmern für ein attraktives Klima im Sinne des Standorts Österreich.
Informationen zu Mag. Siegfried Manhal und Mag. Christoph Seel, MSc
Siegfried Manhal ist seit 1988 in der Finanzverwaltung und startete am Finanzamt Linz. 1991 wechselte er nach der Absolvierung des Fachkurses zur Großbetriebsprüfung, wo er viele Jahre als Prüfer arbeitete. 2008 wurde Manhal zum Vorstand des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck bestellt, inne seit 2009 leitet er das Regionalmanagement der Region Mitte. Manhal leitete zudem auch das FA Freistadt Rohrbach Urfahr und ist für die Steuerung der bundesweiten Telefonie zuständig.
Christoph Seel hat neben seiner Tätigkeit in der regionalen Steuerberatung die Studien der Wirtschaftswissenschaften und der Wirtschaftsbetrugsermittlung in Linz und Ohio/USA absolviert. Nach weiteren beruflichen Stationen in diesem Umfeld war er unmittelbar vor seinem BMF-Engagement als Leiter der Steuerabteilung eines Automotivkonzerns zuständig für Europa und die BRICS-Staaten. Seel ist seit Februar 2018 im Kabinett für die Steuer- und Zollverwaltung und die Betrugsbekämpfung zuständig. Seit Juli 2019 ist er außerdem Programmleiter der Modernisierung.
christoph.seel@bmf.gv.at
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