Respekt vor der Landesgesetzgebung!

von Peter Bußjäger, 22.11.2017

Eine Arbeitsgruppe im Umfeld des Vereins „respekt.net“ hat am 14.11.2017 einen Vorschlag für eine Föderalismusreform präsentiert. Der Arbeitsgruppe gehören verschiedene, mittlerweile aus ihren Ämtern geschiedene Politiker, insbesondere der frühere Vizekanzler Josef Pröll und die seinerzeitige Staatssekretärin Brigitte Ederer, an. Seitens des Instituts für Föderalismus ergeben sich zu dem vorgelegten Papier folgende Bemerkungen:

Nach einigen einleitenden floskelhaften Ausführungen über die Bedeutung von Bund und Ländern wird vorgeschlagen, die Kompetenzen zur Gesetzgebung und Erlassung von Verordnungen beim Bund anzusiedeln sowie die Verwaltung – mit Ausnahme ausdrücklich aufgezählter Materien – bei den Ländern. Die Budgethoheit müsse beim Bund liegen, während die Länder vom Bund die notwendigen finanziellen Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhalten sollen.

Das Papier zielt in eine ähnliche Richtung ab wie das im Mai 2017 vorgestellte Konzept des steirischen Landeshauptmannstellvertreters Schickhofer „Ein Österreich – eine Gesetzgebung“, es ist allerdings erheblich weniger fundiert ausgearbeitet. Insofern verweist das Institut für Föderalismus auf die bereits im Mai 2017 geäußerte Kritik und möchte in Bezug auf den aktuellen Vorschlag des Vereins „respekt.net“ folgende Punkte wiederholen:

1. Österreich ist ein hochzentralisierter Bundesstaat

Der österreichische Bundesstaat ist im internationalen Vergleich hochzentralisiert ausgestaltet, was insbesondere anhand der wenigen Gesetzgebungskompetenzen der Länder verdeutlicht wird. Die Übertragung sämtlicher Zuständigkeiten zur Erlassung von Gesetzen und Verordnungen auf den Bund würde das föderale System erheblich schwächen und letzten Endes ad absurdum führen.

Internationale Studien haben jedoch ergeben, dass der wirtschaftliche Erfolg von Regionen von ihrer Kompetenzausstattung abhängt. Je zentralistischer ein Land organisiert ist, umso größer sind seine wirtschaftlichen Probleme.

Insofern sieht auch das Institut für Föderalismus die Notwendigkeit, den österreichischen Bundesstaat zu einem modernen Bundesstaat weiterzuentwickeln, dies allerdings nicht durch eine de-facto-Beseitigung des bundesstaatlichen Systems.

2. Verlagerung aller Ländergesetzgebungskompetenzen auf Bundesebene

Wer glaubt, mit dem Modell einer einheitlichen Bundesgesetzgebung den Föderalismus zu stärken, macht in Wahrheit das Land zu einer Bezirkshauptmannschaft des Bundes. Ob und welche Spitäler in den Ländern erhalten bleiben, welche Straßen und welche Schulen gebaut werden, entscheidet dann der Bund und nicht das Land. Das Land darf nur die Vorgaben des Bundes ausführen.

Daran würde auch nichts ändern, wenn, wie vorgeschlagen, den verbliebenen „Ländern“ weitere Vollziehungskompetenzen übertragen würden. Sie könnten an den Vorgaben des Bundes nichts ändern und würden auch über keine eigenständigen finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten mehr verfügen.

Im Grunde würden die Länder zu untergeordneten Ämtern des Bundes gemacht und der Bundesstaat abgeschafft.

Es ist daher eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, wenn das Papier versucht, unter dem Vorwand eines „zukunftsfähigen Föderalismus“ den Eindruck zu erwecken, als würde der österreichische Föderalismus weiterentwickelt. Das Gegenteil ist der Fall: Er wird um seine Zukunft gebracht. Diese Vorgangsweise ist aus unserer Sicht besonders unredlich.

3. Vorteile einer eigenen Landesgesetzgebung

Richtige Autonomie der Länder entsteht erst mit einer eigenständigen Gesetzgebung. Damit gehen auch einige Vorzüge einher:

- Föderaler Wettbewerb zwischen den Gliedern um die optimale Erfüllung staatlicher Aufgaben,

- worin letztendlich ein erhebliches Innovationspotenzial liegt.

- Mit einer eigenen Landesgesetzgebung besteht die Möglichkeit, neue Maßnahmen zunächst auf Landesebene zu testen, um sie in weiterer Folge bei erfolgreichem Einsatz für weitere Länder oder auf Bundesebene fruchtbar zu machen.

- Reformen, wie beispielsweise in der Steiermark (Gemeindegebietsreform, Verwaltungsreform), wären ohne Gesetzgebungshoheit des Landes nicht möglich gewesen.

- Die Landesgesetzgebung durch ein eigenes Landesparlament verleiht dem Land nicht nur einen größeren Gestaltungsspielraum, sondern ermöglicht der Bevölkerung zusätzliche Möglichkeiten der demokratischen Teilnahme an Entscheidungsprozessen

- Im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind die Länder in Österreich besonders wichtig. Wer keine eigenen Kompetenzen hat, kann auch nicht zusammenarbeiten.

4. Vollziehung

Eine Stärkung der Vollziehung der Länder wäre jedenfalls zu begrüßen und entspricht auch bisherigen Länderpositionen. Dies darf allerdings nicht auf Kosten von Gesetzgebungskompetenzen erfolgen. Vollzugsföderalismus ist keine Alternative zu echtem Föderalismus.

5. Bundesstaat reformieren

In der Vergangenheit wurden in zahlreichen Arbeitsgruppen konstruktive Vorschläge für eine tiefgreifende und nachhaltige Reform des Bundesstaates erarbeitet, die sich insbesondere auf die Aufgabenverteilung und die Verwaltungsstrukturen beziehen. Nach unserer Auffassung sollte hier angesetzt werden, statt Pfade zu betreten, die auf unausgegorenen und undurchdachten Vorschlägen wie jenem von „respekt.net“ beruhen.

 

Informationen zu Peter Bußjäger



Peter BußjägerUniv.-Prof. Dr. Peter Bußjäger ist Direktor des Institutes für Föderalismus und Professor am Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre der Universität Innsbruck.




peter.bussjaeger@foederalismus.at

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