Sicherheitspolizeigesetz-Novelle - ein Angriff auf die Grundelemente des Staates?
von Heinz Pansi, 25.05.20161. Allgemeines:
Das rechtsstaatliche Prinzip hat den Kern in der Bindung der Verwaltung an das Gesetz im Sinne des Legalitätsprinzips (Art. 18 Abs. 1 BVG), gleichzeitig verlangt das rechtsstaatliche Prinzip aber auch Rechtsschutzeinrichtungen, die diese Bindung effektiv gewährleisten. Der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips liegt darin, dass alle Akte staatlicher Organie im Gesetz undmittelbar letztlich in der Verfassung begründet sein müssen. Es ist daher die Grundmaxime jeder rechtsstaatlichen Verfassung, Gewaltenteilung zu normieren, die nicht nur auf die klassischen Staatsfunktionen Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit beschränkt sein dürfen1. Auch die Aufstellung Österreichs als Bundesstaat ist eine Fortführung des Gedankens des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung.
Nun ist es allgemein bekannt, dass Österreich ein nicht gerade ausgeprägter Bundesstaat ist. Ein Ausgleich für diese „reduzierte Ausprägung“ stellt wohl die mittelbare Bundesverwaltung dar, wobei die Aufgaben, die gemäß Art. 10 BVG dem Bund zur Vollziehung übertragen sind, von Behörden der Länder besorgt werden, wobei diese Landesbehörden funktionell als Bundesbehörden tätig sind.
Die mittelbare Bundesverwaltung beruht einerseits auf föderalistischen Erwägungen, womit den Ländern ein Einfluss auf die Vollziehung von Bundesaufgaben eingeräumt wird. Anderseits verwirklicht die mittelbare Bundesverwaltung verwaltungsreformatorische Ziele: „Es wird ein kostspieliger getrennter Verwaltungsapparat (Doppelgleisigkeit der Verwaltung) vermieden und überdies die Koordination der Verwaltungsaufgaben erleichtert"2.
Die Sicherheitsverwaltung der Republik Österreich baut jetzt nicht im klassischen Sinn auf die mittelbare Bundesverwaltung auf. Im Sinne des eingangs Gesagten ist dem Gedanken des Föderalismus, Verwaltungskoordination auf unterster Ebene umzusetzen, auf der Ebene der Bezirksverwaltungsbehörden, also von Landesbehörden, realisiert, womit wiederum dem Gedanken des Rechtstaates in der Gewaltenteilung Rechnung getragen wird!
Die Österreichische Bundesverfassung legt in Artikel 78a BVG Abs. 1 fest, dass die oberste Sicherheitsbehörde der Bundesminister für Inneres ist, welchem die Landespolizeidirektionen und diesen wiederum die Bezirksverwaltungsbehörden als Sicherheitsbehörden nachgeordnet sind.
In logischer Konsequenz bestimmt § 5 des SPG, dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes für die Sicherheitsbehörden den Exekutivdienst zu versehen haben, welcher aus einem Streifen- und Überwachungsdienst, der Ausübung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht und der Gefahrenabwehr mit den Befugnissen nach dem dritten Teil, sowie aus dem Ermittlungs- und Erkennungsdienst (§ 5 Abs. 3 leg. cit.) besteht.
Abs. 4 der genannten Gesetzesbestimmung normiert, dass der Streifendienst im Rahmen der Sprengel „…….. der Bezirksverwaltungsbehörden sowie sprengelübergreifend innerhalb des Landes zu besorgen ist. Für den Funkstreifendienst sind die notwendigen Einsatzzentralen zu unterhalten, die rund um die Uhr über das öffentliche Fernsprechnetz erreichbar sind“.
Abs. 5 leg. cit. führt aus, dass die Sicherheitsexekutive aus den Sicherheitsbehörden und den diesen beigegebenen oder unterstellten Wachkörpern besteht.
Aus § 9 SPG wiederum ist erkennbar, dass überall dort, wo nicht die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde I. Instanz ist, die Bezirksverwaltungsbehörden, denen hiefür die Bezirks- und Stadtpolizeikommanden und deren Polizeiinspektionen unterstellt sind, als Sicherheitsbehörde I. Instanz fungieren.
Ergänzend führt Abs. 2 leg. cit. aus, dass für die Bezirksverwaltungsbehörden die ihnen unterstellten oder beigegebenen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Exekutivdienst versehen.
Letztlich ist somit im Sinne des rechtstaatlichen und auch des gewaltenteilenden Gedankens festgelegt, dass die Bezirks- und Stadtpolizeikommanden, welche für die Bezirksverwaltungsbehörde tätig werden, diese auch diesen Behörden fachlich unterstellt sind! Allfällige Konfliktsituationen zwischen fachlicher Weisung und innerdienstlicher Weisung löst § 10 Abs. 3 SPG in der Weise, dass die Nachrangigkeit des inneren Dienstes festgestellt wird.
Gerade bei dieser Bestimmung wird der Gedanke der Österreichischen Bundesverfassung und der ausführenden Gesetzgeber klar, dass auf unterster Ebene eine „Teilung“ zwischen Bundes- und Landesbehörden erfolgt.
§ 14 SPG legt den örtlichen Wirkungskreis der Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten der Sicherheitspolizei fest und führt hiebei unter anderem im Abs. 3 aus, dass in Fällen, in denen keine örtlich zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig setzen kann, die zum sicherheitspolizeilichen Exekutivdienst ermächtigten Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außerhalb des Sprengels der Behörde, der sie beigegeben, zugeteilt und unterstellt sind, sicherheitspolizeiliche Amtshandlungen führen dürfen. Diese Gesetzesbestimmung ist die logische Konsequenz aus § 14 Abs. 1 SPG, wonach den Sicherheitsbehörden die Ausübung der Sicherheitspolizei innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches obliegt.
2. Der Entwurf des Bundesgesetzes, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden soll
Mit dem in Rede stehenden Gesetzesentwurf soll im Bereich des Sicherheitspolizeigesetzes (u. a.)
-
die Zentralisierung von Einsatzzentralen
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die Erweiterung des sprengelüberschreitenden Einschreitens
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die Einrichtung einer zentralen Datenanwendung zur Unterstützung der Einsatzkoordination
umgesetzt werden.
Mit der Einführung eines neuen Abs. 7 zu § 5 SPG wird klar zum Ausdruck gebracht, dass es nur mehr eine Einsatzzentrale (BLZ) geben soll und die Bezirksleitstellen aufgelöst werden.
Nunmehr soll § 14 Abs. 3 SPG insoweit neu definiert werden, als jederzeit eine sprengelübergreifende Besorgung des Exekutivdienstes, auch wenn keine Gefahr im Verzug gegeben ist, möglich sein.
Schließlich erscheint auch die zentrale Datenanwendung zur Einsatzunterstützung nach dem neu definierten § 58 lit. e SPG erwähnenswert. Es besteht die Absicht, eine zentrale Verwaltungsdatei für das Innenministerium und damit für den Wachkörper zur Verfügung zu stellen. Diese Daten stehen der neu zu schaffenden Einsatzzentrale (LLZ), die ausschließlich in der Verfügungsgewalt des Bundesministeriums für Inneres steht, künftig zur Verfügung.
3. Die Auswirkungen der Veränderung
Mit diesem Vorhaben ist eine nachhaltige Änderung der Polizeiorganisationen der Republik Österreich intendiert.
Es wird ein Abziehen von Polizeikräften aus den Bezirken bewirkt, wodurch die Sicherheitsabdeckung und damit das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, nach der Beseitigung von zahlreichen Polizeiinspektionen, weiterhin negativ beeinträchtigt werden wird. Dies vor allem deshalb, da für die Aufrechterhaltung der Bezirksleitstellen (BLS) derzeit rund sieben bis acht Mann in Anspruch genommen werden, die außerhalb der Tätigkeit in der Bezirksleitstelle (BLS) auch Exekutivdienst versehen. Dies hat den Vorteil, dass ein unmittelbarer Praxisbezug gegeben ist und so bei Notrufen nicht nur die lokale Kenntnis, sondern auch die örtlichen Erfordernisse der für den Einsatz notwendigen Unterstützungsmaßnahmen vom Beamten selbst abschätzbar sind.
Nach der in den letzten Jahren aufgestellten Behauptung (es ist bei dieser Behauptung geblieben), dass durch die Reduktion von Polizeiinspektionen mehr Polizei auf die Straße der ländlichen Regionen gebracht worden sei, erfolgt jetzt die nächste Schwächung des ländlichen Raumes in der Republik Österreich mit der durchschnittlichen Reduktion von sieben bis acht Mann aus allen ländlichen Bezirken. Diese entstehende (Personal)Lücke, aber auch das zu erwartende Sicherheitsdefizit kann nicht damit kompensiert werden, dass das Innenministerium derzeit durch Medienkampagnen im Wege des Schlagwortes „Community Policy“ versucht, Sicherheitsgefühl zu schaffen! Dies nicht, zumal diese „Community Policy“ genau das Gefühl des „alten Dorfgendarmen“ vermitteln soll, der aber durch die Polizeiinspektionsreduktion vernichtet wurde.
Der Weg des Rückzugs der Polizei aus „dem Land“ durch die geplante Novelle wird weiter fortgesetzt und in einem auch die Möglichkeit der Verfügung über Sicherheitskräfte in ländlichen Regionen durch die örtlichen Behörden mit der geplanten Gesetzesnovelle ad absurdum geführt.
Allen Verantwortlichen muss zu denken geben, dass mit der Abschaffung sämtlicher Bezirksleitstellen und dem einzigen Verbleib der Landesleitstelle, den Ländern jegliche Unterstützung durch den Wachkörper in den Regionen abhanden kommt. Der Wachkörper Polizei wird damit weitgehend aus dem Einflussbereich der Sicherheitsbehörden I. Instanz entzogen, regional bedingte Sicherheitsmaßnahmen werden somit unmöglich. Dies wird durch die beabsichtigte Novelle noch insoweit verstärkt, als nunmehr der Streifendienst auch aus nichtigem Anlass von der Zentralstelle aus den Regionen wegbeordert werden kann. Daran ändert auch nichts, dass derzeit wieder vermehrt versucht wird, den Eindruck zu erwecken, dass die Gemeinden durch „Sicherheitsstammtische“ Einfluss auf die Polizei hätten. Dies geht natürlich rechtlich ins Leere, da die rechtliche Grundlage einer kompetenzmäßigen Zuständigkeit der Gemeinden fehlt.
Wenngleich die Organisation Polizei spätestens seit dem Jahr 2005 eine sehr zentrale Struktur aufweist, waren durch die bestehenden Reste des ehemaligen Gendarmeriesystems föderalistische Ansätze existent, zumal noch immer rechtlich und fachlich sichergestellt war, dass der Wachkörper, der den Sicherheitsbehörden 1. Instanz (den Bezirkshauptmannschaften als Organisation der Länder) unterstellt war (ist), auf lokale Besonderheiten reagieren konnte.
Mit dieser Novelle wird der Einflussbereich der Bezirkshauptmannschaften als Sicherheitsbehörde weitestgehend zurückgedrängt, die Sicherheit im Lande ausgehöhlt, und es wird schließlich den Ländern nichts anderes übrig bleiben, als für ihre Vollzugsbereiche einen eigenen Wachkörper ins Leben zu rufen, um den Erfordernissen des Bürgers und dem Gesetzesvollzug gerecht zu werden.
Durch dieses an den Rand drängen der Sicherheitsbehörden I. Instanz (der Bezirkshauptmannschaften als Behörden der Länder) verlieren aber auch die Länder ihre letzte Möglichkeit, durch regionale Behörden Einfluss auf ihre Sicherheitslage zu nehmen. Was bleibt sind kleine Beruhigungspillen im Rahmen der Mitwirkung für die Landeshauptmänner, die aber schon jetzt nicht einmal das halten, was sie eigentlich auch nur beschränkt versprechen. Zudem wird Mitwirkung bei einer Postenbesetzung wohl nie ein Ersatz für ausgewogenes rechtstaatliches und auch gewaltenteilendes Handeln sein. Schließlich geht es um die Menschen im Land und zuviel Macht in nur einer Hand hat noch keinem Staat gutgetan!
[1] Vergleiche dazu: Öhlinger, Verfassungsrecht8, 58ff
[2] Öhlinger, Verfassungsrecht8, 144f
Informationen zu Heinz Pansi
Dr. Mag. Heinz Pansi ist Bezirkshauptmann von Hermagor.
heinz.pansi@ktn.gv.at
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