Südtirol auch in Bürgerhand
von Elisabeth Alber, 01.02.2016Südtirol mitdenken. Das ist das Motto des am 16. Jänner 2016 angelaufenen Autonomiekonvents, der nicht nur Mandatsträger, Interessensvertreter und Experten, sondern auch alle anderen Südtirolerinnen und Südtiroler einlädt, konkrete Anregungen zur Diskussion für die Überarbeitung des Zweiten Statuts der Autonomen Region Trentino-Südtirol aus dem Jahre 1972 beizusteuern.
Der Autonomiekonvent ist ein Hilfsorgan für den Südtiroler Landtag und verfolgt das Ziel, einen Vorschlag für ein Verfassungsgesetz zur Abänderung des Statutes der Autonomen Region Trentino-Südtirol zu erstellen. Zusammen mit den Ergebnissen eines geistesverwandten, aber in seiner konkreten Ausgestaltung doch etwas anderen Prozesses im Trentino („Consulta“1) soll der endgültige Vorschlag dann dem römischen Parlament vorgelegt werden. Dieser koordinierten Vorgehensweise bedarf es, da laut Artikel 103 des Zweiten Autonomiestatuts das Initiativrecht zur Änderung des Statuts dem Regionalrat auf Vorschlag der Landtage der autonomen Provinzen zusteht.
Schon im Koalitionsprogramm für die Legislaturperiode 2013 – 2018 verpflichtete man sich, konkrete Schritte einzuleiten in Bezug auf die Überarbeitung des Statutes aus dem Jahre 1972. Auf Seite 31 spricht man von der Einrichtung des Reformkonvents […] der aus politischen Vertretern und aus solchen der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft zusammengesetzt ist und mit der Aufgabe betraut wird, dem Landtag innerhalb einer klar festgelegten Frist zeitnah einen Entwurf für die Reform des Autonomiestatuts vorzulegen…. Das Landesgesetz zur Einsetzung eines Konvents wurde schlussendlich im April 2015 vom Südtiroler Landtag verabschiedet (LG Nr. 3 vom 23. April 2015)2. Zwar wurde das Gesetz nur mit den Stimmen der Mehrheit (Südtiroler Volkspartei und Partito Democratico) verabschiedet, doch soll dies nicht dessen Bedeutung für Südtirol schmälern.
Der Autonomiekonvent ist nämlich eine große Veränderung im Vergleich zur Ausarbeitung des Zweiten Autonomiestatuts. Nicht nur einige wenige, sondern so viele Personen wie möglich sollen Vorschläge einbringen in Bezug auf die territoriale Selbstverwaltung und die Politikgestaltung in Südtirol. Geschehen soll dies mittels eines breit angelegten und noch nie dagewesenen Bürgerbeteiligungsprozesses, der über ein Jahr andauern soll.
Konkret vorgesehen sind folgende Gremien: der Konvent der 33 und das Forum der 100 (s. Grafik). Alle Arbeiten des Konvents der 33 und des Forums der 100 sind öffentlich. Außerdem sind alle Interessierten eingeladen, in einer interaktiven Plattform auf der Webseite des Konvents (www.konvent.bz.it) mitzudiskutieren und ihre Meinung abzugeben.
Um falschen Erwartungshaltungen vorzubeugen, gilt es zu betonen, dass es sich nicht um eine „verfassungsgebende Versammlung“ handelt, sondern um eine Reihe von zweckbestimmten Zusammenkünften zwischen Bürgerinnen und Bürgern, der Politik, Experten und Interessensvertretern, die nach dem Prinzip des Konsenses und des Kompromisses arbeiten sollen.
Der Autonomiekonvent wird vom Südtiroler Landtag eingesetzt und ist eine Ideenwerkstatt beratender Natur. Aus wissenschaftlicher Sicht ist er ein Beispiel partizipativer Demokratie. Ob das Experiment glückt, muss sich erst noch zeigen. Nicht jeder ist vom Fahrplan des Landesgesetzes Nr. 3/2015 begeistert. Das Projekt werde politisch halbherzig betrieben, heißt es. Stein des Anstoßes ist einerseits die Tatsache, dass die Ergebnisse rechtlich nicht bindend sind, andererseits die geringe Bürgerbeteiligung in der Zusammensetzung des Hauptgremiums, dem Konvent der 33.
Trotz aller möglichen Mängel sollte die Chance eines sprachgruppen- und generationenübergreifenden und zielgerichteten, aber ergebnisoffen gestalteten Bürgerbeteiligungsprozesses genutzt werden. Denn wenn dieser Prozess gelingt, wird es eine prägende Erfahrung sein für Südtirol. Dann wird man auch in Südtirol erprobt haben, was es heißt, mit den Bürgerinnen und Bürgern und nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger zu regieren und zu verwalten. In diesem Sinne fordert der Autonomiekonvent alle und ist eine einmalige institutionelle Herausforderung und demokratiepolitische Chance, bei dem der Diskussionsprozess genauso wichtig ist wie das Ergebnis selbst.
Ein Jahr lang soll sowohl im Konvent der 33 als auch im Forum der 100 diskutiert, geschrieben und an den Entwürfen gefeilt werden, dann soll das schriftliche Endprodukt samt Begleit- und Minderheitenberichten vorliegen. Die Ergebnisse werden den Präsidenten der Landtage von Bozen und Trient und dem Präsidenten des Regionalrats überreicht. Denn – wie eingangs schon betont – steht dem Regionalrat das Initiativrecht zur Änderung des Autonomiestatuts auf Vorschlag der beiden Landtage zu.
Infobox
Den Auftakt des Autonomiekonvents bilden 9 Veranstaltungen im Winter 2016, die so genannten „Open Spaces“. Sie werden ab 23. Jänner bis zum 5. März über ganz Südtirol verteilt stattfinden. Ziel der Open Spaces ist es, die Südtiroler mit dem Projekt vertraut zu machen und den Diskussionsprozess über Südtirols politische Zukunft in Gang zu setzen. Auch sollen Bürgerinnen und Bürger im Rahmen dieser Veranstaltungen Themenvorschläge hinsichtlich der zukünftigen Politikgestaltung in Südtirol ausarbeiten. Jene dienen dem Konvent der 33 und dem Forum der 100 als Arbeitsgrundlage. Während der Open Spaces und bis spätestens 6. März kann man sich auch – sofern in Südtirol ansässig und 16 Jahre alt – für das Forum der 100 bewerben. Sowohl das Forum der 100 als auch der Konvent der 33 werden im Frühling 2016 ihre Arbeiten aufnehmen. Ganz nach dem Motto: Südtirol mitdenken.
1 Ein eigener Beitrag über den Trentiner Konvent ist in Vorbereitung
2 Kundgemacht im Beiblatt Nr. 2 zum Amtsblatt vom 28. April 2015, Nr. 17.
Informationen zu Elisabeth Alber
Dr. Elisabeth Alber, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin am Institut für Föderalismus- und Regionalismusforschung an der Europäischen Akademie Bozen (EURAC).
Elisabeth.Alber@eurac.edu
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