Vorarlberger Positionspapier zur Reform der Sozialversicherungen
von Institut für Föderalismus, Eigenblog, 07.05.2018Basierend auf einem Gutachten des Direktors des Instituts für Föderalismus, Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger, haben Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer (Gesundheitsbetriebe) und Ärztekammer Vorarlberg ein Positionspapier zur Reform der Sozialversicherungen bzw. zur Funktion der neun Gebietskrankenkassen vorgelegt, das wir unseren Leserinnen und Lesern aufgrund der österreichweiten Bedeutung zur Kenntnis bringen:
Funktion der neun Gebietskrankenkassen
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Die neun Gebietskrankenkassen erfüllen im komplexen System der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Gesundheitswesen eine wichtige Funktion in der regionalen Gesundheitsversorgung. Sie sind zwar Einrichtungen des Bundes, durch ihre regionale Verankerung und den Charakter der Selbstverwaltung fungieren sie als Schnittstelle zwischen den zentralen, weitgehend durch die Bundesgesetzgebung erfolgten Vorgaben an das Gesundheitssystem auf der einen Seite und der Vollziehung durch die Länder (Krankenanstalten) oder durch den Landeshauptmann in der mittelbaren Bundesverwaltung (Gesundheitswesen) auf der anderen Seite.
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Die neun Gebietskrankenkassen sind Akteure im Regionalen Strukturplan Gesundheit sowie beim Zustandekommen der Gesamtverträge zwischen Ärztekammer und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Wenn sie durch einen zentralen Träger ersetzt werden, bedeutet dies zwangsläufig eine massive Zentralisierung.
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Durch eine Zentralisierung der Gebietskrankenkassen, die dazu führen würde, dass auf regionaler Ebene in diesen wichtigen Aufgabenbereichen keine Entscheidungsspielräume der Selbstverwaltung mehr bestünde, würde der Standard der Gesundheitsversorgung im jeweiligen Land gefährdet. Dies schon deshalb, weil die Entscheidungshoheit, welche Dienstleistungen in welchem Ausmaß angeboten werden, auf dem Gebiet der Gesundheit durch die in Wien angesiedelte Zentrale der Krankenversicherung bestimmt würde.
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Die neun Gebietskrankenkassen können ihre Aufgaben im Übrigen nur erfüllen, wenn ihnen die erforderlichen Mittel aus den Beiträgen der im jeweiligen Land Versicherten zur Verfügung stehen und über diese nach Maßgabe des regionalen Bedarfs verfügen können.
Reform der Sozialversicherungen
Im Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung ist eine Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger zu fünf Trägern vorgesehen. Die Krankenversicherung soll durch eine einzige Krankenkasse mit Regionalstellen erfolgen. Über die Aufgaben und die Eigenständigkeit der Regionalstellen gibt es noch keine offiziellen Bekanntmachungen.
Nach den vorliegenden Informationen würde die derzeit bestehende Eigenständigkeit der Gebietskrankenkassen stark beschnitten. Die daraus resultierende Gefahr besteht darin, dass der Regionalstelle zentrale Vorgaben gemacht werden, die nicht mehr auf die regionale Versorgungsstruktur mit ärztlichen Dienstleistungen im Land abgestimmt ist. Mit anderen Worten: Es besteht nicht nur die Gefahr, dass die Rücklagen der Vorarlberger Gebietskrankenkasse in einem zentralen Budget der Krankenkassen aufgehen, sondern vor allem und in erster Linie, dass der bisherige Standard der Gesundheitsversorgung in Vorarlberg deutlich gesenkt wird. Damit würden die Vorarlberger Versicherten für ihre Beiträge im Ergebnis weniger Leistungen erhalten als dies derzeit der Fall ist.
Forderungen zur Reform der Sozialversicherungen
Grundsätzlich muss eine Reform der Sozialversicherung aus unserer Sicht folgenden Zielen entsprechen:
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Die Beiträge der Versicherten müssen möglichst effizient eingesetzt werden. Das bedeutet: Die Neuorganisation muss sachlich begründet sein und den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entsprechen.
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Der bestehende Standard der regionalen Gesundheitsversorgung im Land darf nicht gefährdet werden - vielmehr muss dieser weiter optimiert werden können. Um diese Ziele zu erreichen, muss die Reform folgenden Grundsätzen entsprechen:
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Die regionale (dies bedeutet eine im Land Vorarlberg angesiedelte) Einrichtung der Krankenversicherung muss weiterhin Partner des Regionalen Strukturplanes Gesundheit (RSG) sein und darf in dieser Tätigkeit nicht an Weisungen der Zentralstelle gebunden sein.
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Die regionale Einrichtung der Krankenversicherung muss weiterhin ohne Weisungsbindung gegenüber der Zentralstelle den Inhalt des Gesamtvertrages mit der regionalen Ärztekammer einschließlich des Stellenplanes bestimmen (ein Abschluss des Vertrages durch den Hauptverband der Sozialversicherungsträger im bisherigen Rahmen bleibt davon unberührt); Die Gesamtvertragshoheit muss daher im Land bleiben!
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Der regionalen Einrichtung der Krankenversicherung muss die Hoheit über die Beiträge der Vorarlberger Versicherten zukommen. Sie muss mit diesen Mitteln auch eigenständig, das bedeutet, ohne Weisungsbindung und ohne inhaltliche Vorgaben, wirtschaften können und insbesondere in der Lage sein, die im Gesamtvertrag vorgesehenen Leistungen auch finanzieren zu können; die Beitragshoheit muss daher im Land bleiben!
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Die Verwaltung der Krankenversicherung durch die Versicherten ist eine der Säulen des österreichischen Sozialversicherungssystems. Das ist eine sehr kostengünstige, versichertennahe Form der Geschäftsführung und eine bewährte Alternative zur Verstaatlichung. An diesem Prinzip darf nicht gerüttelt werden. Reformen der Gremien innerhalb der Selbstverwaltung sind selbstverständlich möglich und richtig, soweit sie zur Effizienzsteigerung beitragen. Eine Verschiebung von Kompetenzen der Selbstverwaltungskörper zu den leitenden Angestellten der Sozialversicherung darf jedoch nicht erfolgen; die Selbstverwaltung muss erhalten bleiben!
Informationen zu Institut für Föderalismus, Eigenblog
institut@foederalismus.at
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