Zusammenarbeit im Alpenraum - Herausforderungen und Perspektiven
von Herwig van Staa, 27.11.2014Trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten beschloss der Tiroler Landtag Mitte Dezember 2014 erstmals ein Doppelbudget für die Jahre 2015 und 2016, das – wie bereits in den beiden Jahren zuvor - einen jeweils ausgeglichenen Haushalt aufweist. Dieses Nulldefizit ist der Garant dafür, dass auch in den kommenden Jahren ausreichend Spielräume für eine gute Entwicklung unseres Landes vorhanden sind. Im EU-Regionen-Vergleich zählt Tirol nach wie vor zu den wohlhabendsten Regionen mit einer der niedrigsten Arbeitslosenraten. Ein wesentlicher Grund für die gute Entwicklung Tirols ist darin zu finden, dass sich die politischen Entscheidungsträger schon lange vor dem österreichischen EU-Beitritt im Jahr 1995 dazu entschlossen haben, die Kontakte zu den unmittelbaren Nachbarn über die Staatsgrenzen hinweg kontinuierlich auszubauen und zu vertiefen.
Die Arbeitsgemeinschaft Alpenländer als Vorbild
Gemeinsam mit seinen Regierungskollegen aus Bayern, aus Südtirol, aus der Lombardei und aus Graubünden entwarf der damalige Tiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer bereits im Jahr 1972 mit der Arge Alp das bis dahin einmalige Konzept einer selbständigen Außenpolitik von Regionen im Rahmen einer grenzüberschreitenden Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer. Dieses eigenständige Vorgehen war im Jahr 1972 fast eine Revolution, denn offizielle politische Kontakte ins Ausland wurden ausschließlich über die Außenministerien abgewickelt. Mit Hilfe der Arge Alp gelang es erstmals, regionale grenzüberschreitende Fragen und Projekte auf einer informellen Schiene und auf direktem Weg anzugehen.
Die Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino
Mit dem Reformvertrag von Lissabon stellte die EU den umfassenden territorialen Zusammenhalt verschiedener institutioneller Ebenen auf eine Stufe mit dem wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt. Diesem politischen Konzept folgend konnte während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes im Jahr 2006 trotz heftiger Widerstände von einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten die EU-Verordnung über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) beschlossen werden, die es möglich macht, dass regionalen Gebietskörperschaften solche Europäischen Verbünde als selbständige juristische Personen gründen können. Im Oktober 2009 sprach sich der Dreierlandtag einstimmig für die Schaffung eines EVTZ mit der Bezeichnung „Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino“ aus. Die Konstituierung der Gremien des EVTZ erfolgte im Oktober 2011 auf Schloss Tirol bei Meran, das gemeinsame Büro der Europaregion in Bozen ist seither Generalsekretariat des EVTZ.
Die Erwartungshaltung an den EVTZ ist natürlich in allen drei Ländern sehr groß. Man erwartet sich zu Recht Vorteile in politisch-strategischer, in rechtlicher und in operativer Hinsicht. Zu den Außenzielen zählen in erster Linie die verstärkte gemeinsame Teilnahme an EU-Programmen bzw. die Vertretung der gemeinsamen Interessen gegenüber staatlichen und europäischen Institutionen. Im Innenverhältnis zählen u.a. die effektive Umsetzung der Beschlüsse der Dreierlandtage bzw. der gemeinsamen Regierungssitzungen und die Förderung der gemeinsamen Entwicklung u.a. in den Bereichen Energie, Verkehr, Innovation und Technologie zu den vorrangigen Zielen.
Zukunft des EVTZ und makroregionale Alpenraumstrategie
Als Delegationsleiter der österreichischen Bundesländer und Vizepräsident des AdR wurde ich vor einiger Zeit zum Politischen Koordinator der EVTZ-Plattform im AdR bestellt. Erfreulicher Weise hat die Europäische Kommission zwischenzeitlich zahlreiche Anregungen der Plattform aufgenommen, und im Dezember 2013 wurde schließlich eine neue EVTZ-Verordnung erlassen, die wesentliche Erleichterungen bei der Gründung von neuen EVTZ vorsieht und auch Regionen aus Drittstaaten die Möglichkeit gibt, Vollmitglieder eines EVTZ zu werden.
Die gerade in Gründung befindliche Makroregion Alpen soll zukünftig die Interessen von 48 Alpenregionen aus 7 Staaten und rund 70 Millionen Menschen, davon 14 Millionen im eigentlichen Berggebiet, besser wahrnehmen. Entscheidend bei dieser makroregionalen Strategie war von Anfang an das Engagement der Regionen, denen bei der Erarbeitung eine gleichberechtigte Rolle neben den Nationalstaaten zukommt. Projekte, die im Rahmen der Alpenraumstrategie umgesetzt werden, sollen von den jeweiligen regionalen Regierungen abgewickelt werden, aber auch die Mitarbeit der Zivilgesellschaft ist vorgesehen.
Zusammenfassung
Tirol hat in der grenzüberschreitenden interregionalen Zusammenarbeit im Alpenraum eine Vorreiterrolle übernommen, sei es als Initialzünder für die Arge Alp oder bei der Gründung eines der ersten EVTZ gemeinsam mit Südtirol und Trient. Auch bei der Formulierung der makroregionalen Alpenstrategie war Tirol als Kern-Alpenregion federführend tätig und hat sich intensiv eingebracht. Eine von mir als Berichterstatter verfasste Stellungnahme des AdR, die ebenfalls eindeutig die Handschrift Tirols trägt, wurde Anfang Dezember 2014 mit großer Mehrheit verabschiedet. Voraussichtlich im Juni 2015 wird die makroregionale Strategie der EU für den Alpenraum dann endgültig in Kraft treten.
Informationen zu Herwig van Staa

landtag.direktion@tirol.gv.at
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