16.04.2007
Föderalismus Info 2/2007
Die im Regierungsübereinkommen vorgesehene Expertengruppe zur Staats- und Verwaltungsreform hat mittlerweile ihre Arbeit aufgenommen. Sie soll bis Ende Juni 2007 Vorschläge für die im Regierungsübereinkommen vorgesehenen Themen (Landesverwaltungsgerichte, Schulverwaltung, Verfassungsbereinigung, Kompetenzverteilung) liefern. Die Arbeiten laufen konstruktiv. Das Föderalismusinstitut rechnet mit einvernehmlichen Vorschlägen zu den Themen Landesverwaltungsgerichte, Schulverwaltung und Verfassungsbereinigung. Zweifel bestehen aus unserer Sicht, ob innerhalb der kurzen Zeit im so umstrittenen Bereich der Kompetenzverteilung große Fortschritte zu erzielen sind. Sollte es jedoch gelingen, in den anderen Bereichen zu einvernehmlichen Vorschlägen zu gelangen, so wäre eine herzeigbare Staatsreform jedenfalls möglich.
Der Expertengruppe zur Staats- und Verwaltungsreform gehören insgesamt sechs Personen an: von der SPÖ nominiert wurden Volksanwalt Dr. Peter Kostelka und Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger, Vertreter der ÖVP sind Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol und Dr. Franz Fiedler. Außerdem vertreten sind zwei Vertreter der Landeshauptleutekonferenz, nämlich Salzburgs Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller und Vorarlbergs Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber. Die beiden letzteren können sich in den Beratungen vertreten lassen. Univ.-Prof. Dr. Ewald Wiederin, Verfassungsrechtler an der Uni Salzburg vertritt Landeshauptfrau Burgstaller, Jürgen Weiss, Vizepräsident des Bundesrates, vertritt Landeshauptmann Sausgruber.
Zu den schwierigsten Themen der im Regierungsübereinkommen vorgesehenen Staats- und Verwaltungsreform dürfte die Kompetenzrechtsreform nach dem „Drei-Säulen-Modell“ zählen. Darunter kann man eine Form einer gemeinsamen Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern verstehen, in der sowohl Bund als auch Länder bestimmte Materien (zB Krankenanstalten) regeln können. Die beiden anderen „Säulen“ bilden die jeweils ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder. Aus Sicht des Instituts für Föderalismus ist die entscheidende Frage für die Funktionsfähigkeit eines Drei-Säulen-Modells die Ländermitwirkung in der „Dritten Säule“. Nur dann, wenn der Zugriff des Bundesgesetzgebers auf die dort verankerten Materien durch eine effektive Ländermitwirkung auf die Festlegung der unbedingt notwendigen bundeseinheitlichen Regelungen eingeschränkt werden kann, macht dieser neue Kompetenztypus Sinn. Ansonsten werden die betreffenden Materien nach dem Staubsaugerprinzip nach oben gesaugt.
Am 28. März 2007 führte das Institut für Föderalismus eine Diskussionsveranstaltung durch, die sich mit der im Regierungsübereinkommen vorgesehenen Staatsreform befasste. Impulsreferate hielten Institutsdirektor Peter Bußjäger und Theo Öhlinger, Universitätsprofessor in Wien und Mitglied der Expertengruppe, die bis Ende Juni 2007 Vorschläge für eine Staats- und Verwaltungsreform liefern soll. In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Univ.Prof. Dr. Karl Weber und Jürgen Weiss, Vizepräsident des Bundesrates, zeigte sich ein weitgehender Konsens darüber, dass der Föderalismus ein wesentliches Element der politischen Kultur dieses Landes ist. Über seine konkrete Ausgestaltung bestehen freilich nicht zu leugnende, breite Meinungsunterschiedenheiten.
Führt eine Fusion von Gemeinden tatsächlich zu mehr Effizienz in der Verwaltung? Verschiedene Studien lassen daran jedenfalls erhebliche Zweifel aufkommen.
Land
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Zahl der Gemeinden
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Durchschnittliche Gemeindegröße
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Deutschland
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13.854
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5.931
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Frankreich
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37.997
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1.615
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Italien
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8.100
|
7.141
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Niederlande
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537
|
29.542
|
Österreich
|
2.359
|
3.437
|
Polen
|
2.489
|
15.526
|
Schweden
|
289
|
30.736
|
Schweiz
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2.880
|
2.488
|
Ungarn
|
2.910
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3.204
|
Australien
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8.564
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30.893
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Ein wesentlicher Kritikpunkt des Instituts für Föderalismus an der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum bundesstaatlichen Berücksichtigungsprinzip bildete in der Vergangenheit, dass die Rechtsprechung in der Tendenz schwergewichtig der Wahrung der Bundesinteressen gegenüber den Landesinteressen den Vorrang einräumte. Nachdem nun vom VfGH in der Frage eines Verbots des Singvogelfangs in Oberösterreich ausgerechnet in diesem Fall eine Entscheidung zu Gunsten der Länderkompetenzen gefällt wurde, stellt sich die Frage, ob es sich nur um die sprichwörtliche „Ausnahme von der Regel“ handelt, oder ob auch in für die Länder zentraleren Fragen eine Richtungsänderung zu erwarten ist.