25.02.2008
Föderalismus Info 1/2008
Die Vorschläge der von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission zur Staats- und Verwaltungsreform deuten in Richtung einer weiteren Zentralisierung der Gesetzgebung. Dies erfolgt in einem Ausmaß, das einer Gesamtänderung der Bundesverfassung nahe kommt und damit eine Volksabstimmung nach sich ziehen müsste. Eine entscheidende Rolle kommt der Neudefinition der Rolle des Bundesrates zu. Bleibt er eine reine Verzögerungsinstitution oder hat er künftig die Möglichkeit, wirkungsvoll zu verhindern, dass immer mehr Kompetenzen durch den Bund von den Ländern abgezogen werden?
Bereits seit 10 Jahren zeichnet die Wirtschaftskammer besonders innovative und effiziente Behörden mit dem „Amtsmanager des Jahres“ aus. Eine Bilanz anlässlich dieses Jubiläums zeigt, dass die Länder – entgegen eines gerne und weit verbreiteten Vorurteils – besonders effizient und modern arbeiten: Es wurden besonders viele Abteilungen der Landesverwaltung bzw der Bezirkshauptmannschaften ausgezeichnet, die Bundesbehörden liegen deutlich zurück. Besonders erfolgreich waren dabei zwei Trägerländer des Föderalismusinstituts, nämlich Oberösterreich und Niederösterreich.
Das Institut für Föderalismus veranstaltet gemeinsam mit dem Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck am 6. März 2008 die Tagung „Die Besten im Westen?“ – Die westlichen Bundesländer und ihre Rolle seit 1945. Dabei soll die Rolle der westlichen Bundesländer in Österreich seit 1945 interdisziplinär und im Kontext der gesamtösterreichischen Entwicklung betrachtet werden. Rolle und Selbstverständnis der westlichen Länder sollen kritisch hinterfragt, gegebenenfalls auch Mythen aufgedeckt werden. Das Programm dieser Tagung ist auf der Homepage des Instituts abrufbar.
Ein Projekt der Weltbank vergleicht föderalistisch bzw zentralistisch organisierte Staaten bezüglich verschiedener Governance-Indikatoren, wie etwa Stabilität, Transparenz, Rechtsstaatlichkeit oder Qualität der staatlichen Leistungen. Als herausragend zeigt sich in vielen dieser Bereiche die Schweiz, die noch dazu über eine besonders niedrige Staats- und Steuerquote verfügt – ein Beweis dafür, dass ein föderalistisches System sowohl besonders leistungsfähig als auch kostengünstig sein kann. Auch Österreich liegt in diesem Vergleich gut. Eines ist klar: Eine zentralistische Staatsorganisation bedeutet keinesfalls einen automatischen Standortvorteil.
Staat
|
Voice and
Accountability |
Political Stability
|
Government Effectiveness
|
Regulatory Quality
|
Rule of Law
|
Control of Corruption
|
Österreich
|
1,55
|
1,04
|
1,62
|
1,53
|
1,87
|
1,99
|
Deutschland
|
1,48
|
0,83
|
1,52
|
1,39
|
1,77
|
1,78
|
Belgien
|
1,46
|
0,74
|
1,64
|
1,32
|
1,45
|
1,40
|
Schweiz
|
1,72
|
1,40
|
2,13
|
1,45
|
1,96
|
2,19
|
Finnland
|
1,63
|
1,47
|
2,08
|
1,70
|
1,95
|
2,57
|
Frankreich
|
1,40
|
0,46
|
1,20
|
1,06
|
1,31
|
1,44
|
Niederlande
|
1,67
|
0,77
|
1,86
|
1,65
|
1,75
|
2,05
|
Vereinigtes Königreich
|
1,42
|
0,46
|
1,83
|
1,76
|
1,73
|
1,86
|
Staat
|
Staatsausgabenquote
|
Steuerquote
|
Österreich
|
50,0
|
42,9
|
Deutschland
|
47,6
|
34,6
|
Belgien
|
49,8
|
45,6
|
Schweiz
|
35,5
|
29,4
|
Finnland
|
51,8
|
44,3
|
Frankreich
|
54,2
|
43,7
|
Niederlande
|
48,8
|
39,3
|
Vereinigtes Königreich
|
44,8
|
36,1
|
Staat
|
HDI
|
Ranking
|
Österreich
|
0,948
|
15
|
Deutschland
|
0,935
|
22
|
Belgien
|
0,946
|
17
|
Schweiz
|
0,955
|
7
|
Finnland
|
0,952
|
11
|
Frankreich
|
0,952
|
10
|
Niederlande
|
0,953
|
9
|
Vereinigtes Königreich
|
0,946
|
16
|
Anlässlich der geplanten Staatsreform in Österreich fand im September 2007 im Parlament eine internationale Fachtagung zum Thema „Können Verfassungsreformen gelingen?“ statt. Auf Einladung des Instituts für Föderalismus und des „Forum of Federations“ beleuchteten hochrangige Experten und Praktiker jüngere Verfassungsreformen in Deutschland, Italien, Kanada und der Schweiz und diskutierten über die Chancen einer umfassenden Verfassungs- und Verwaltungsreform in Österreich. Ein von Peter Bußjäger und Felix Knüpling herausgegebener Tagungsband bietet nun allen Interessierten die Möglichkeit zur Nachlese. Fazit: Damit Verfassungsreformen gelingen können, ist sowohl ein parteiübergreifender Konsens der großen politischen Lager als auch zwischen Bund und Ländern von Nöten. Nur im Zusammenwirken der maßgeblichen politischen Kräfte und der Entscheidungsebenen kann ein großer Wurf gelingen. In Österreich fehlt dieser Grundkonsens derzeit noch.
Bei der Präsentation des Tagungsbandes berichteten Andreas Khol und Theo Öhlinger (beide Mitglieder der Expertenkommission der Bundesregierung zur Staats- und Verwaltungsreform) über den aktuellen Stand der Beratungen. Khol zeigte sich mit den ersten Umsetzungsschritten nicht unzufrieden, bezeichnete aber die Art der Einrichtung des Asylgerichtshofes als „Schönheitsfehler“. Fortschritte seien in Sachen Kompetenzbereinigung sichtbar, entscheidend werde ua sein, wie die Rolle des Bundesrates künftig aussehe. Jedenfalls sei noch ein langer Atem nötig, um zu zufrieden stellenden Ergebnissen zu kommen. Öhlinger bewertet es als positiv, dass die Verfassung wieder stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit trete. Wie Khol glaubt aber auch Öhlinger nicht an einen schnellen Abschluss der Debatte.