09.07.2012
Föderalismus Info 4/2012
Mit den neuen Parteien- und Parteienförderungs- und Unvereinbarkeitsgesetzen sowie den neuen Transparenzregeln hat der Nationalrat massiv in die Verfassungsautonomie der Bundesländer eingegriffen – ohne, dass großer Widerstand von Bundesrat oder Ländern wahrnehmbar war. Eine gefährliche Entwicklung, die sich in Sachen Demokratiereform fortsetzen könnte.
Mit der ESM-Begleitnovelle (RV 1985/A 24. GP) hat sich der Nationalrat einen begrüßenswerten Zustimmungsvorbehalt zu den Entscheidungen der österreichischen Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus geschaffen. Der österreichische Vertreter darf gemäß Art 50b B-VG demnach in Zukunft nur dem Aufspannen des Rettungsschirms zustimmen, wenn ihn der Nationalrat dazu ermächtigt hat. Aus Sicht der nationalen Budgethoheit handelt es sich dabei um ein notwendiges Mitwirkungsrecht des Parlaments. Auf die Idee, dass der Rettungsschirm auch die gesamtstaatlichen Finanzen betrifft und daher eine Mitwirkung des Bundesrates in solchen Verfahren gerechtfertigt wäre, ist das Parlament offenbar nicht gekommen. Schade um die vergebene Chance, dem Bundesrat wieder etwas mehr Gewicht zu verleihen.
Am 13. Juni einigten sich Bund, Länder und Sozialversicherungsträger auf ein gemeinsames Vorgehen in Sachen Gesundheitsreform. In der noch auszuhandelnden Art 15a-Vereinbarung ist ein „partnerschaftliches Zielsteuerungsmodell“ geplant, mit dem Bund, Länder und Sozialversicherungen künftig stärker zusammenarbeiten und damit Doppelgleisigkeiten abbauen sollen. Aus föderalistischer Sicht eine gute Lösung, zu der die Länder Wesentliches beigetragen haben: Die ursprünglichen Vorstellungen des Bundes hätten für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Ländern arge Folgen gehabt. Die Patienten wären hin und her geschickt worden und das Leistungsangebot wäre massiv reduziert worden. Jetzt geht es vor allem darum, die Grundsatzeinigung konkret umzusetzen und einen Modus zu finden, wie sich Spitäler und Sozialversicherungen abstimmen.
Ebenso in kooperativer Weise endete am 20. Juni 2012 der Streit um den Ersatz des Klinischen Mehraufwands zwischen dem Land Tirol und dem Bund. Grundsätzlich ging es dabei um Forderungen des Landes Tirol gegen den Bund: Dieser hatte seit dem Jahre 2007 – entgegen einer bestehenden Vereinbarung – seine Akontierungen der Infrastruktur-Abgeltung der Medizin-Universität für Lehre und Forschung am Landeskrankenhaus Innsbruck reduziert. Der Bund ging auf die Forderungen Tirols ein, außerdem sollen künftig alle Universitätskliniken (Wien, Graz, Innsbruck) gleich behandelt werden.
Das Institut für Föderalismus veranstaltete am 12. Juni 2012 in den Redoutensälen in Linz ein Seminar zum Thema „Perspektiven des Finanzföderalismus in Österreich“. Die Referate untersuchten neben allgemeinen Aspekten auch aktuelle Entwicklungen, etwa in Zusammenhang mit dem österreichischen Stabilitätspakt und der Situation in der Schweiz. Die Veranstaltung hat gezeigt, dass die Vorzüge föderaler Systeme, wie internationale Beispiele zeigen, in ihrer Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit liegen. Es ist geplant, die Referate in absehbarer Zeit in einem Tagungsband zu veröffentlichen.
Am 4. Juni 2012 fand in der Österreichischen Nationalbank in Wien eine von Foster Europe und unter anderem vom Institut für Föderalismus mitorganisierte internationale Tagung zum Thema „Federalism, Decentralisation and Devolution in Europe“ statt. Neben Referaten zur Lage des Finanzföderalismus in Spanien, Österreich, dem Vereinigten Königreich und Italien befasste sich eine Podiumsdiskussion unter Teilnahme von unter anderem Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER und Institutsdirektor Peter BUSSJÄGER mit Fragen des Fiskalföderalismus. Diskutiert wurde auch über eine mögliche Steuerautonomie der Länder, wie sie auch seitens der Nationalratspräsidentin angedacht wurde (vgl. dazu auch den Bericht in der Wiener Zeitung vom 6.6.2012), nicht zuletzt wegen der damit grundsätzlich zu erwartenden Effizienzsteigerung in der Verwaltung einer Gebietskörperschaft.