14.11.2013

Föderalismus Info 6/2013

Koalitionsverhandlungen – Länderforderungen an die neue Bundesregierung

Die Bundesländer haben diese Woche im Rahmen einer Landeshauptleute-Konferenz ihre Forderungen an die neue Bundesregierung formuliert und gleichzeitig ihre Bereitschaft zu Reformen bekräftigt. So erklären sich die Länder bspw bereit, Sonderbehörden des Bundes in die Landesverwaltung zu integrieren und an einer dringend nötigen Verfassungsreform mitzuwirken. Die Länder fordern aber auch, dass die finanzielle Bedeckung von immer mehr Aufgaben, die der Bund auf die Länder abwälzt, sichergestellt wird.



Mitte Oktober wurden die acht Untergruppen einschließlich ihrer Vorsitze für die laufenden Koaltionsverhandlungen festgelegt. Betreffend den Bundesstaat bedeutsam sind im Besonderen die Untergruppen „Finanzen – Budget, Steuern, Entlastung, Schuldenabbau“ sowie „Staatsreform und direkte Demokratie – Verfassung, Föderalismus, öffentlicher Dienst“.
Die Landeshauptleutekonferenz beschloss am 12. November 2013 die Länderforderungen an die neue Bundesregierung, die sich im Wesentlichen den Themen kooperativer Bundesstaat, Gesundheit, Bildung und Finanzen widmen. Im Besonderen betonen die Länder ihre Bereitschaft, an einer Verfassungsreform konstruktiv mitzuwirken um vor allem einen Ausbau der Verfassungsautonomie der Länder, die Reform des Bundesrates und der Kompetenzverteilung zu beschließen. Die Koordinierungsbefugnisse in Krisen- und Katastrophenfällen sollen klargestellt und den Ländern übertragen werden, ebenso wie Sonderbehörden des Bundes auf Länderebene in die bestehenden Verwaltungsstrukturen integriert werden sollten. Die Einführung eines „Amtes der Bundesregierung“ im Sinne einer besseren Koordination analog zu den Ämtern der Landesregierung wird ebenso angeregt wie die unmittelbare Anwendbarkeit von Art 15a B-VG-Vereinbarungen und gleichwertige Vorschlagsrechte für die Mitglieder der gemeinsamen Organe von Bund und Ländern wie die Gerichthöfe des öffentlichen Rechts oder des Rechnungshofes.
In den Bereichen Gesundheit und Bildung wird neben der Fortsetzung bereits eingeleiteter Reformmaßnahmen vor allem auch die entsprechende finanzielle Ausstattung eingemahnt, wie im Übrigen auch im Bereich der Wohnbauförderung. In diesem Zusammenhang weisen die Länder auch auf die kommenden Finanzausgleichsverhandlungen hin, wo besonders auf eine adäquate Finanzausstattung der Gebietskörperschaften Bedacht zu nehmen sei. Bezüglich der Weiterentwicklung des Haushaltswesens sowie einheitlicher Grundsätze des Haushaltsrechts und der risikoaversen Finanzgebarung sprechen sich die Länder für eine konsensuale und partnerschaftliche Vorgangsweise etwa im Wege einer Art 15a B-VG-Vereinbarung aus.

VfGH entscheidet über Bundesratsmandate

Der Verfassungsgerichtshof hat eine Anfechtung der Wahl der Bundesräte im niederösterreichischen Landtag abgewiesen. Die Grünen hatten diese Wahl beeinsprucht, weil ihrer Meinung nach bei dieser Wahl das wahlrechtliche Homogenitätsprinzip missachtet wurde.



Am 17. September 2013 (W I 4/2013-11) entschied der Verfassungsgerichtshof über eine Wahlanfechtung betreffend Bundesratsmitglieder aus Niederösterreich. Hintergrund war die Wahl der Bundesräte in der konstituierenden Sitzung des Landtags am 24. April 2013, in der ein Wahlvorschlag des Grünen Landtagsklubs nicht zur Abstimmung kam. Die von den Grünen betriebene Anfechtung der Wahl berief sich unter Verweis auf das wahlrechtliche „Homogenitätsprinzip“ auf die anteilige Sitzverteilung, die sich ihrer Meinung nach der Anzahl der Wählerstimmen und nicht nach der Mandatsverteilung im Landtag richten solle.
Der Verfassungsgerichtshof wies die Anfechtung ab und begründete dies – unter weitgehendem Verweis auf die Vorjudikatur – damit, dass die Anzahl der abgegebenen Stimmen nur bei Mandatsgleichstand ausschlaggebend seien und im Übrigen nach den Vorgaben sowohl des Art 35 Abs 1 B-VG und des diesen wiederholenden § 21 der Geschäftsordnung des Niederösterreichischen Landtags die Mandatsverteilung ausschlaggebend sei. Zudem gelte das Homogenitätsprinzip kraft dieser verfassungsrechtlichen Anordnung nur für die Wahlen zu den Landtagen und den Gemeinderäten und (weil die für die Wahl der Mitglieder des Bundesrates maßgebende Bestimmung des Art 35 B-VG einen entsprechenden Verweis nicht enthält) nicht auch für die Wahl der Mitglieder des Bundesrates, der überdies nicht direkt vom Volk gewählt werde.

Irland: Abstimmung über Abschaffung des Senats gescheitert

In einer Volksabstimmung haben sich die Iren mit knapper Mehrheit gegen die Abschaffung der zweiten Parlamentskammer, den Senat, ausgesprochen. Diese zweite Kammer ähnelt mehr dem britischen Oberhaus als den klassisch föderalen Kammern Deutschlands und Österreichs. Hohe Kosten und weitgehende Machtlosigkeit als Argumente gegen den Senat bekamen keine Mehrheit.



Die mögliche Abschaffung der zweiten Kammer des irischen Parlaments, des Senats (Seanad Eireann) war Gegenstand einer Volksabstimmung am 4. Oktober 2013. Dabei sprachen sich 51, 7% der irischen Bevölkerung für die Beibehaltung des Senats aus. Der irische Premierminister Enda Kenny begründete die geplante Abschaffung des Seanad Eireann mit Kostengründen, wonach die zweite Kammer Irland jährlich 20 Mio Euro koste, zudem sei sie weitgehend machtlos und zudem nicht demokratisch. In der Tat wurde der irische Senat erstmals bereits 1936 abgeschafft, jedoch nur ein Jahr später mit Erlassung der neuen Verfassung wieder eingeführt. Der irische Senat ist keine klassische föderale Kammer, wie etwa der Bundesrat in Österreich oder Deutschland, sondern eher eine Art Oberhaus – er besteht aus 60 Mitgliedern, die von örtlichen Kollegien aus Politikern und Wissenschaftlern gewählt werden. Das größte Machtmittel des Senats besteht in der Möglichkeit, ein vom Unterhaus verabschiedetes Gesetz für 90 Tage aufhalten zu können – eine Befugnis von der in den letzten 75 Jahren jedoch gerade einmal zwei Mal Gebrauch gemacht wurde. Die irische Bevölkerung sprach sich nun für die Beibehaltung des Senats aus, wobei die Zustimmung mit einer knappen Mehrheit von 42.000 Stimmen, vor allem aus den urbanen Wahlbezirken knapp ausfiel.

Veranstaltung zur Europaregion Tirol

Am 21. Oktober 2013 fand an der Universität Innsbruck ein Diskussionsabend zum Thema „Die Europaregion und die Bürger/-innen: Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im EVTZ und die Bürger/-innengesellschaft“ statt. Die Veranstaltung wurde vom Föderalismusinstitut gemeinsam mit dem Forschungszentrum Föderalismus ausgerichtet.



Am 21. Oktober 2013 fand an der Universität Innsbruck ein Diskussionsabend zum Thema „Die Europaregion und die Bürger/-innen: Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im EVTZ und die Bürger/-innengesellschaft“ statt. Die Veranstaltung wurde vom Föderalismusinstitut gemeinsam mit dem Forschungszentrum Föderalismus ausgerichtet. Nach Grußworten von Ferdinand Karlhofer (Universität Innsbruck) gingen die Referenten in Impulsreferaten auf diverse Themen ein: Christian Gsodam vom Ausschuss der Regionen behandelte „Die europäische Perspektive“ und wies darauf hin, dass der EVTZ im europäischen Kontext vor allem als ein Instrument „von unten“ betrachtet werden müsse. Christian Traweger und Günther Pallaver von der Universität Innsbruck präsentierten Ergebnisse einer rezenten Umfrage und verglichen diese mit Daten aus 1996. Dabei zeigte sich, dass die Europaregion grundsätzlich begrüßt wird und vor allem in Fragen des Verkehrs, der Wirtschaft und im Tourismus eine Zusammenarbeit erwartet wird. Auf anderen Seite sind hingegen die Institutionen und Büros der Bevölkerung weitgehend unbekannt. Institutsdirektor Peter Bußjäger behandelte schließlich „Die rechtliche Perspektive“.
Im Anschluss fand eine von Alois Vahrner, Chefredakteur der Tiroler Tageszeitung, moderierte Podiumsdiskussion mit Landtagspräsident Herwig Van Staa, Georg Willi, Esther Happacher und Meinungsforscher Gernot Gruber statt. Weitgehend einig war man sich darüber, dass die Region im Vergleich zu früher jedenfalls Fortschritte verzeichnen kann, wie auch hinsichtlich der Forderungen etwa die Zusammenarbeit im EVTZ sichtbarer zu machen, unter Umständen auch zu personalisieren. Die Lösung bekannter Probleme wie eine grenzüberschreitende Stromleitung oder wechselseitige Fahrkarten für den öffentlichen Verkehr wurde in Aussicht gestellt.
Einen Video-Bericht zur Veranstaltung gibt es unter http://www.europaregion.info/de/news.asp?news_action=4&news_article_id=440338.

Veranstaltungshinweise

Gleich zwei Veranstaltungen der Universität Innsbruck widmen sich Ende November ausgewählten Themen des Föderalismus: vom 19. bis 21. November findet in der Claudiana eine englischsprachige Tagung zum Thema „Regionalism(s): Lessons from Europe and the Americas“ statt, mit Referenten aus Brasilien, Frankreich, Italien, Kanada und Russland. Zudem findet eine Podiumsdiskussion unter der Leitung von Institutsdirektor Bußjäger statt. Das Tagungsprogramm gibt es unter http://www.uibk.ac.at/canada/veranstaltungen/. Eine weitere Tagung zum Thema „Rechtshistorische Aspekte des Föderalismus“ findet am 28. und 29. November im Saal New Orleans statt und widmet sich der Rechtsgeschichte des österreichischen Bundesstaates. Beide Veranstaltungen finden im Rahmen des Forschungszentrums Föderalismus der Universität Innsbruck unter Beteiligung des Föderalismusinstituts statt.

Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst für Institutsdirektor Bußjäger

Institutsdirektor Peter Bußjäger erhielt am 26. Oktober 2013 von Bundespräsident Heinz Fischer auf Vorschlag von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen. Das Institut freut sich über die Auszeichnung, die auch die Bedeutung seiner Publikationen und sonstigen Aktivitäten unterstreicht.

In Memoriam Univ.-Doz. Dr. Klaus Berchtold

Anfang November 2013 ist Dr. Klaus Berchtold, unter anderem Ministerialrat im Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, verstorben. In dieser Funktion war er auch Mitglied der Strukturreformkommission, die 1991 einen umfassenden und heute noch lesenswerten Bericht über die Neuordnung der Kompetenzverteilung in Österreich erstellte. In seiner wissenschaftlichen Tätigkeit widmete er sich insbesondere rechtshistorischen Fragen sowie Aspekten der Gemeindeaufsicht und dem Amt des Bundespräsidenten. In der Schriftenreihe des Föderalismusinstituts (Band 42) erschien im Jahre 1988 sein Buch über die Verhandlungen zum Forderungsprogramm der Bundesländer seit 1956. Das Institut wird ihn als profunden Kenner der Verfassungsgeschichte und des österreichischen Bundesstaates in Erinnerung behalten. Unser Mitgefühl gilt seinen Angehörigen, insbesondere seiner Gattin Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes.