Durch Finanzausgleichsreformen Handlungsräume der Gemeinden sichern

von Karoline Mitterer, 30.05.2025

Die österreichischen Gemeinden stehen vor finanziellen Problemen: Während die Aufgaben wachsen, können die verfügbaren Einzahlungen nicht mithalten. Ergebnis ist, dass rund jede zweite Gemeinde ihre operativen Auszahlungen nicht mehr selbst decken kann. Was lange als punktuelle Finanzschwäche einzelner Kommunen galt, hat sich längst zu einem strukturellen Problem ausgewachsen. Im Zentrum des Problems steht ein Finanzausgleich, der seiner Steuerungsfunktion zunehmend nicht mehr gerecht wird. Die Notwendigkeit umfassender Reformen liegt auf der Hand.


Zunehmende Finanzierungsprobleme der Gemeinden

Die Gemeinden haben vielfältige Aufgaben – von der Elementarpädagogik über Pflichtschulen, über die Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur, der Ver- und Entsorgung bis hin zu Investitionen in Klimaschutz und -anpassung. Gleichzeitig geraten ihre finanziellen Grundlagen zunehmend unter Druck. Die KDZ-Gemeindefinanzprognose zeigt, dass mittelfristig jede zweite Gemeinde ihre laufenden Ausgaben nicht mehr ohne zusätzliche Hilfen finanzieren kann (Abbildung 1). Während vor der Krise noch ausreichend Mittel für den laufenden Betrieb und Investitionen zur Verfügung standen, schrumpfen die finanziellen Spielräume zunehmend. Bis 2026 wird der operative Überschuss vieler Gemeinden in den negativen Bereich rutschen – mit nennenswerten Folgen für die kommunale Investitionskraft und die langfristige Aufrechterhaltung zentraler Leistungen der Daseinsvorsorge.

Abbildung 1: Mittelfristige Prognose der Gemeindefinanzen

Grafik über die Entwicklung der Gemeindefinanzen

Quelle: KDZ (2025), Gemeindefinanzprognose Mai 2025.

 

Umlagenproblematik 

Eine Ursache liegt in der gestiegenen Umlagenbelastung. Ein wachsender Anteil der Ertragsanteile fließt an die Länder - vor allem zur Mitfinanzierung von Krankenanstalten und Sozialhilfe -, wodurch laut Prognosen bis 2028  nur noch 40 Cent je Euro bei den Gemeinden verbleiben. 

Diese Mittel fehlen für zentrale kommunale Aufgaben wie Kinderbetreuung, kommunale Infrastruktur oder Klimaschutz. Ohne eine Reform der Umlagensystematik – etwa durch Begrenzung der Dynamik oder klarere Aufgabenzuordnungen – droht eine weitere Erosion der finanziellen Eigenständigkeit der Gemeinden.

Wichtig ist hierbei, dass dieses Thema gesamtstaatlich zu lösen ist, denn auch die Länder können nicht mit der Finanzierung von Gesundheit und Soziales alleine gelassen werden. Vielmehr braucht es hier mittelfristig wirksame Aufgaben- und Finanzierungsreformen, welche insbesondere zwischen Bund und Ländern – aber auch den Sozialversicherungen – zu bewerkstelligen sind.

Aufgabenübertragungen

Zunehmend geraten die kommunalen Haushalte auch durch verdeckte Lastenverschiebungen unter Druck. Neue Aufgaben werden oft ohne ausreichende finanzielle Ausstattung übertragen. Zu nennen sind hier etwa das Freizeitpersonal an Ganztagsschulen oder Gratisangebote in der elementaren Bildung. Gleichzeitig führten in den letzten Jahren steuerpolitische Maßnahmen auf Bundesebene zu Einnahmeverlusten, welche auch mit dem FAG 2024 nur teilweise ausgeglichen werden konnten. Diese Entwicklungen bleiben vielfach außerhalb formeller Ausgleichsmechanismen, wirken sich jedoch unmittelbar auf die kommunalen Budgets aus.

Finanzausgleich 2024: erneut keine Strukturreform

Mit dem Finanzausgleichsgesetz 2024 (FAG) wurden den Gemeinden zwar zusätzliche Mittel zugesichert – etwa über den Zukunftsfonds. Doch diese reichen nicht aus, um die kommunale Daseinsvorsorge auf dem bisherigen Niveau zu finanzieren. Vielmehr haben sich die Finanzierungsspielräume der Gemeinden gegenüber dem Vorkrisenniveau halbiert. Obwohl sich dies bereits bei den Verhandlungen zum FAG 2024 abzeichnete, blieb eine strukturelle Neuordnung aus. Insbesondere auch das Thema der Reform des vertikalen Finanzausgleichs wurde erneut auf später verschoben.

Nun ist mit dem Regierungsprogramm 2025 eine grundlegende Reform des Finanzausgleichs angekündigt. Zentrale Anliegen: mehr Aufgabenorientierung, eine faire Finanzierungsgrundlage, klare Aufgabenzuordnungen und Effizienzsteigerungen im Transfersystem. Doch bis 2027 sollen lediglich Grundlagen erarbeitet werden – ein Zeitraum, den sich viele Gemeinden angesichts akut schrumpfender Handlungsspielräume nicht leisten können. Dringlich wären bereits jetzt Maßnahmen zur Entlastung bei den Umlagen und eine Erhöhung der Transparenz und Wirksamkeit bei Transferflüssen. Ebenso fehlt weiterhin eine Perspektive für die überfällige Reform der Grundsteuer, deren Ertragskraft seit Jahrzehnten stagniert.

Ohne Reformen werden Leistungskürzungen wahrscheinlich

Sollten keine kurz- und mittelfristigen Entlastungen der Gemeindefinanzen über den Finanzausgleich gelingen, werden viele Gemeinden gezwungen sein, schmerzhafte Maßnahmen zu ergreifen. Erste Schritte sind bereits sichtbar: Investitionen werden verschoben, Leistungen reduziert, die Einnahmenpotenziale ausgeschöpft. Diese Entwicklung trifft den Kern der kommunalen Daseinsvorsorge. Ohne strukturelle Reformen drohen Einschränkungen im Leistungsangebot. Dies kann von Leistungskürzungen (z.B. beim Straßenschmuck oder bei der Dauer der Straßenbeleuchtung) bis hin zur Schließung von Infrastruktur (z.B. Kultur- und Freizeiteinrichtungen) reichen. Was zunächst als Einzelfall erscheint, wird zunehmend zur systemischen Realität. Der Reformbedarf im Finanzausgleich ist daher nicht nur finanztechnisch, sondern gesellschaftspolitisch dringlich.

Finanzielle Zukunft der Gemeinden braucht gemeinsame Lösungen

Die Gemeinden sind zentrale Träger der öffentlichen Infrastruktur und des sozialen Zusammenhalts. Doch ihr Finanzierungssystem ist brüchig geworden – nicht nur kurzfristig, sondern strukturell. Ein "Weiter so" über kurzfristige Hilfspakete schwächt die Gemeindeautonomie zunehmen. Was es braucht, ist eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem „grauen“ und „offiziellenFinanzausgleich – und vor allem gemeinsames politisches Handeln. Die langfristige Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge ist nicht nur eine Frage der Fairness, sondern eine gesamtstaatliche Zukunftsaufgabe. Diese kann nur gemeistert werden, wenn Bund, Länder und Gemeinden zusammenarbeiten.

Informationen zu Karoline Mitterer



Karoline MittererDr.in Karoline Mitterer ist langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin beim KDZ - Zentrum für Verwaltungsforschung und koordiniert den Aufgabenbereich öffentliche Finanzen und Föderalismus. Zu ihren Arbeits- und Forschungsschwerpunkten zählen Finanzausgleichsagenden, Gemeindefinanzen und die Finanzierung und Steuerung öffentlicher Aufgaben, wie etwa Bildung, Pflege, Klimaschutz oder öffentlicher Verkehr.

mitterer@kdz.or.at

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