Politiker – die bezahlten Hände der Bürger?

von Bernhard Löhri, 06.04.2017

Fragen der politischen Organisation eines Gemeinwesens sind ständig auf der Tagesordnung. Was wir in unserem Österreich als Föderalismus-Diskussion erleben, spielt sich auf europäischer Ebene mit den Begriffen  Staatenbund versus Bundesstaat ab. Die EU lehrt uns zudem, dass die Frage der organisatorischen Verfasstheit in weiten Bereichen darüber entscheidet, in welcher Qualität so eine Organisation von den Bürgern überhaupt akzeptiert und getragen wird. Wenn wir auf nationaler Ebene in Österreich mit Föderalismus-Diskussionen nur begrenzt erfolgreich sind und auf der Suche nach erfolgreichen politischen Föderalismus-Systemen immer wieder auf ausländische Beispiele, wie etwa die Schweiz verweisen müssen, dann stellt sich die Frage, ob wir die Diskussion von der falschen Seite her aufziehen. Der Verfassungssatz „Alles Recht geht vom Volk aus“ ist ja eine gute Ausgangssituation; ein Leitbild „Politik und Politiker sind die bezahlten Hände der Menschen“ könnte das Bewusstsein stärken, dass Politik in all ihrem Handeln und Tun ausschließlich die Wünsche der Menschen im Focus haben sollte. Zwischen Martin Luther’s Anspruch „Den Menschen auf’s Maul schauen“ und der feigen Haltung „den Menschen nach dem Mund reden“ liegen Welten - von klugem Leadership bis vulgärem Populismus.

Die Politik näher an die Menschen zu bringen muss vom Schlagwort zum zentralen Webmuster der Politik werden, föderalistische Staatssystem liegen so in einem fundierten Trend der Zeit und stehen noch gewaltigen Entwicklungspotenzialen gegenüber.

Politik und Politiker als die bezahlten Hände der Menschen sind also aufgefordert, eine Aufstellung des Politischen auf den Weg zu bringen, in welchem die Menschen als Einzelpersonen und in ihren Möglichkeiten, sich zu organisieren, umfassende und faire Perspektiven zur Lebensgestaltung vorfinden. Die Trennung von Regulator und Akteur erfordert vom Staat ein weiteres Loslassen des Bereitstellens öffentlicher Güter und ein vermehrtes Konzentrieren auf die Rolle des Regulators im Sinne der Bürger und nicht machtvoller Institutionen, seien sie öffentlicher oder privater Natur.

Politik-Optimierung in föderal verfassten politischen Welten?

Die Schweiz, die Bundesrepublik Deutschland, Italien mit Südtirol, Vorzeigebeispiele sind immer schnell bei der Hand. Es gibt aber auch negative Beispiele, wie Belgien, der Zerfall der föderalen jugoslawischen Republik Anfang der 1990er Jahre und der Zerfall der Bundesrepublik Jugoslawien im ersten Dezennium unseres Jahrhunderts.

Erfolgsfaktor Institutionen-Entwicklung

Sucht man nach den Erfolgskriterien föderal organisierter politischer Systeme, so landet man sehr schnell bei der Qualität der staatlichen Institutionen und der strategischen Grundausrichtung des politischen Handelns. Die ausschließliche Ausrichtung auf die Bürger und eine Sensibilität für Phänomene wie Gemeinwohl kennzeichnet die erfolg-reichen politischen Systeme. Zudem gilt es offen zu sein gegenüber den sich rasch entwickelnden Erkenntnissen politischer Institution-Bildung in den Wissenschafts-Disziplinen der  politischen Organisationsentwicklung und der makro-ökonomischen Analyse- und Strategie-Formulierung. Dies ist festzustellender Anspruch in einer auch österreichischen Realität, wo ein zu starkes Verharren in mechanischen Betrachtungsweisen juristischer Natur und einem nur verhaltenen makro-ökonomischen Blick, der durch noch so bemühte betriebswirtschaftliche Durchdringung, die oft an Erbsenzählen erinnert, nie ersetzt werden kann. Es ist schade, dass in einem so reichen Land wie Österreich Politik in vielen Fällen auf der Ebene des Amateurhaften verharrt, wobei neue Ansprüche von Regulation, Management von Diversität und umfassendes Wirken von „Rule of Law“ und nicht „Rule of Highest Law-Maker“ ganz andere Zugänge erfordern würde.

Erfolgsfall Schweiz

Dass ein multi-ethnischer Staat prächtig zusammenleben kann und als neunzehntgrößte Volkswirtschaft der Welt die angel-sächsiche Kultur quasi als 5. sprach-kulturelle Identität zusätzlich integriert, beeindruckt. Die Schweiz war Beispiel für das gegenwärtige Bosnien, trotz enormem Einsatz an internationalem Wissen schafft es Bosnien aber nicht.

Die Schweiz hat im letzten Vierteljahrhundert nicht nur die interne Kompetenzregelung zwischen Bund und Kantonen geschafft, sondern auch moderne Regulationsinstrumente, allen voran eine Schuldenbremse für die öffentlichen Finanzen eingeführt, was der an Vorarlberg grenzende Kanton St. Gallen schon 1929 eingeführt hat. Schuldenbremsen bringen die Interessen der Bürger mitten in die Konzeptionstische der Politik, der Politiker und der Beamten und binden die Politiker an den Mast politischer Disziplin und machen immun vor der Versuchung, den Bürger mit Wahlgeschenken zu verführen.

Das Politik-System Schweiz wird nicht zufällig immer wieder als Vorbild für Österreich genannt, von der Neutralität bis zur Politikkultur. Dass selbst kleine Kantone mit ihren kleinen politischen Apparaten die Trägerschaft  über Universitäten von Weltklasse ausüben – Beispiel St. Gallen – hindert den Schweizer Bund nicht, mit Eidgenössischen Hochschulen landesinterne Konkurrenz zu machen, mit dem Effekt der Qualitätssteigerung des gesamten Hochschulsystems.

Bayern, Baden-Württemberg,  Donauraumstrategie

Dass die beiden Deutschen Südstaaten Bayern und Baden Württemberg – regional uns in Österreich ja auch mental sehr nahe, freilich in einer ganz anderen Größenliga operierend, ebenfalls bereichernde Impulse für Deutschland setzen können, ist das Resultat jeglicher Analyse der deutschen Nachkriegsgeschichte. Politische, aber vor allem wirtschaftliche Dynamik ist in den letzten Jahrzehnten deutlich vom Norden Deutschlands nach Süden gewandert. Und es sind heute die selbstbewussten Staatsregierungen der Deutschen Bundesländer Bayern und Baden Württemberg, die nicht nur im Verhältnis zur bundesweiten Politikebene Deutschlands in Berlin, sondern auch im EU-Verbund auf Augenhöhe operieren.

So wird die, für Österreich so bedeutende Donauraumstrategie, für welche die Regionalpolitik der Europäischen Kommission nachhaltige Impulse setzen sollte, von Deutschland mit besonderem Interesse betrieben, ist doch eine dynamische Donau-Region vom Schwarzwald bis zum Delta am Schwarzen Meer im ureigenen Deutschen Interesse. Die deutsche Bundesregierung hat die strategische und operative Mitwirkung weitgehend an die Staatsregierungen in Stuttgart und München delegiert, die sich nun um eine kompetente Belebung  der Donauraumstrategie kümmern. Konkret ist es die Regionalverwaltung der Donaustadt Ulm, welche sich dieser Donauraumstrategie nun beherzt annimmt, ein interessantes Modell praktizierter Regionalisierung.

Sonderfall Südtirol

Ein besonders beeindruckendes Beispiel einer sehr geglückten Regionalisierung stellt die autonome Provinz Südtirol mit ihren 500.000 Einwohnern im ethnisch andersartigen Staatsverband, dem romanischen Italien dar. Vor Jahrzehnten noch eine arme, zurückgebliebene Region, ist Südtirol zu einer europäischen Herzeigeregion geworden.

Dank Autonomiestatus ist es der Region vorbehalten, im Rahmen einer Selbstverwaltung eigene Gesetze zu erlassen. Etwa 90 Prozent der in der Provinz einbezahlten Steuern (vor allem der Umsatzsteuer sowie der Einkommens- und Körperschaftssteuer) fließen von Rom an die Provinzverwaltung zurück. Der Südtiroler Landeshaushalt übertrifft jenen von Tirol bei weitem. Südtirol zeigt, dass mit einer Landespolitik, die mit ihren Gestaltungsmöglichkeiten nah am Bürger ist, hervorragende Politik für die Menschen gemacht werden kann. Für den  Südtiroler Landesbürger ist die italienische Innenpolitik im fernen Rom nur noch zuständig für die Beziehungen  zur Europäischen Union, für die Außen- und Verteidigungspolitik und für ausgewählte Bereiche des Gerichts- und Polizeiwesens.

Moderne Politiker, die sich als bezahlte Hände der Bürger verstehen, werden alles tun, Politik nahe an die Menschen zu bringen. Was in der Demokratie über „Föderalen Grunddesign“ des Politischen zu schaffen ist, zeichnet auch moderne Monarchen aus; der aus der österreichischen Adelstradition stammende Fürst Adam von Liechtenstein hat in seiner Politik und in seinem wissenschaftlichen Schaffen auch einem föderalen, den kleinen Einheiten zugetanen Politikverständnis das Wort geredet.

Informationen zu Bernhard Löhri



Bernhard  LöhriBernhard Markus Löhri, Wirtschaftsstudium an der WU Wien (Mag. Dr.), langjähriges Mitglied der Fakultät des Hernstein-Management Institutes der Wiener Handelskammer, Direktor der Politischen Akademie der ÖVP, Experte von Missionen des Rates der EU am Westbalkan, lebt als Publizist und Politikberater in Perchtoldsdorf

loehri@kabsi.at

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